In den letzten Wochen mehrten sich in Presse und sozialen Netzwerken Berichte über Wölfe. Auffallend ist auch dieses mal wieder, dass die nötige Sachlichkeit dabei oft vergeblich gesucht wird. Wolfsbefürworter und Gegner geben sich die Klinke in die Hand und warten wieder mit üblichen Floskeln und Polemik auf. Dabei fällt eines sehr deutlich auf, nämlich dass der Mensch sich in unserer heutigen urbanen Gesellschaft weit von einem natürlichen Umgang und dem Verständnis für wildlebende Tiere entfernt hat.
Wolfsromatik versus tiefste Ablehnung
Seitens der Befürworter und auch seitens der Wolfsgegner finden sich eine Reihe ideologischer Ansichten, die oftmals deutlich Abseits der Realität stehen. Der Feindbildpflege wegen bemüht man sich gerne ideologischer Grabenkämpfe, wenn es darum geht die andere Seite in Misskredit zu bringen.
Nur hilft das der Thematik rund um den Wolf-Menschkonflikt nicht weiter. Als Beobachter muss man beinahe Glauben, dass es außer diesen zwei gegensätzlichen Positionen keinen objektiven Teil zu geben vermag. Es ist wie ein Politikum, wer am lautesten schreit und polemisiert erhält mehr Zustimmung. Die Hoffnung, dass wenn extreme Haltungen aufeinander prallen irgendwas Brauchbares in der Mitte herauskommen mag, ist oft vergeblich. Von einem sachlichen Dialog scheint man offenbar weit entfernt zu sein und wenn es diesen doch gibt, sind es immer wieder die rechts und links außen sitzenden Gruppierungen, die dies unnötig erschweren und für jedwede Argumentation nicht zugänglich sind. Die aktuellen Zustände sind in meinen Augen einfach unerträglich.
Zuhören und versuchen zu verstehen
Eine häufig zu hörende Aussage lautet „wehe wenn das erste Kind…“. Es hilft hier reichlich wenig dies mit Polemik ins Lächerliche zu ziehen und dem eigentlichen Kern der Sorgen nicht sein Augenmerk zu schenken. Es bringt auch nichts, wenn mit Verklärung ein Bild über den Wolf gezeichnet wird was eher an Mythologie erinnert. Schon längst sollten sich Naturschutzverbände mit der Frage beschäftigen, ob sie nicht selber an Glaubwürdigkeit verspielen, wenn sie weiterhin die Rolle der Wolfsromantiker spielen. Die Mär vom menschenscheuen Wolf, die sich in aktueller Vergangenheit nicht bestätigt, könnte dazu beitragen, dass Glaubwürdigkeit verloren geht und Skeptiker in eine gegenteilige Richtung einschlagen. Dies wäre Wasser auf den Mühlen der Gegner und steht einer breiten Akzeptanz im Wege.
Ebenso unhaltbar dürfte auch die weitverbreitete Sorge darüber sein, dass der Wolf nichts mehr zum Jagen übrig lassen würde. Auch wenn mir derartige Aussagen nur vereinzelt aus Reihen der Jägerschaft zu Ohr gekommen sind, wird dies aber häufiger seitens der Befürworter über die Jäger behauptet. So generell hätte ich gehofft, dass wir im 21 Jahrhundert uns nicht mehr der Methodik kollektiver Schuldvorwürfe bedienen müssten.
Eigentlich erwartet man eine sachliche Aufklärung, weder verblümt noch überzeichnet. Diese Erwartungen werden nur allzu selten erfüllt oder spätestens in Kommentaren zu Artikeln oder in sozialen Netzwerken zu Nichte gemacht.
Weder wird der Wolf unsere Wildtiere in derartigen Maße dezimieren, dass zum Jagen nichts mehr überbleibt, noch wird er vor Kindergärten auf sein Frühstück warten.
Es werden die Arten gefährdet sein, die den Wolf als natürlichen Feind nicht kennen, andere Arten werden lernen mit dem neuen Feind zu leben. Sie werden sich anpassen und zurückfinden zu einer natürlicheren Lebensweise. Ich bin sehr überzeugt, dass sich dies so entwickeln wird. Unsere heutigen Kulturräume haben sich derart zu Gunsten einiger Arten und ihrer Reproduktionsrate entwickelt, so dass der Wolf kaum einen nennenswerten Einfluss auf diese ausüben werden dürfte. Einen interessanten Einblick in Lebensweise und vor allem dem Beuteverhalten vom Wolf kann man auch als Laie im „Wolfjagd-Abschlussbericht“ von Ulrich Wotschikowsky erlangen. Im Übrigen einer der wenigen, die ganz ohne ideologische Brille dazu beitragen den Wolf mit den richtigen Augen zu sehen. Betrachten wir hierzu noch die Streckenentwicklung der letzten Jahre, erlangt man doch einen sehr realistischen Überblick.
Dort wo Mensch und Tier aufeinander treffen, besteht auch immer ein Konfliktpotenzial – wobei man nie ganz ausschließen kann, dass sowohl Tier als auch Mensch zu Schaden kommen können. Wolfsübergriffe auf Menschen gab es immer mal wieder, auch wenn sie äußerst selten vorgekommen, gibt es keinen Anlass dazu sie gänzlich zu verschweigen, zu verschleiern oder ins Lächerliche zu ziehen. Sie können vorkommen – Punkt – aus – Schluss!
Die wirtschaftlichen Sorgen betroffener Landwirte müssen ernst genommen werden, Hilfen und Ausgleichzahlungen schneller erfolgen. Man kann es nicht übel nehmen wenn Geschädigte eine ablehnende Haltung gegenüber dem Wolf entwickeln. Gerade Landwirte, die in der heutigen Zeit keinen leichten Stand haben, sollten nicht zusätzlich damit belastet werden jeden Cent nerven- und zeitraubend zu erstreiten. Auch helfen die im Internet häufig zu findenden Ratschläge nur bedingt, wenn sie sich als kaum praktikabel erweisen oder nur weiteres Konfliktpotenzial heraufbeschwören. Hier bedarf es sinnvoller Unterstützung. Um die Akzeptanz für den Wolf zu steigern, gilt es betroffenen Landwirten mehr Rückhalt zu geben, dabei ist auch die Bevölkerung gefragt. Anständige Verbraucherpreise trügen ebenso dazu bei deren Existenzen besser zu sichern.
Zurück zum sachlichen Dialog
Es wird immer deutliche Gegner wie überschwängliche Befürworter geben – nur stehen beide, meinem Empfinden nach, einem sachlichen Dialog entgegen. Um eine weite Akzeptanz für den Wolf in der Bevölkerung zu erzielen, bedarf es eines sachlichen Dialoges mit den Menschen vor Ort, welche Bereitschaft zum Zuhören und Verstehen von Sorgen und Ängsten mitbringen. Hier ist kein Raum für Mythologie und Wolfsromantik. Menschen wollen ernst genommen und verstanden werden und sich nicht mit „Rotkäppchen“ konfrontiert wissen.
Seit nun 15 Jahren zählt der Wolf wieder zum festen Bestandteil unserer Kulturlandschaft. Er hat sich etabliert und erobert nach und nach weitere Lebensräume zurück. Er ist angekommen und wird auch bleiben. Für uns ist es allmählich an der Zeit den Wolf als etwas Normales zu betrachten. Denn erst wenn wir ihn als völlig normal betrachten, werden wir zu einem normalen Miteinander finden. Er ist weder Feind noch etwas wovor man Angst haben muss. Es ist ein Tier dem man mit gebürtigem Respekt begegnen sollte – nicht mehr und nicht weniger.
Autor: Andreas Cornelius