Obwohl ich Hunde habe und mich gerne mit Tieren umgebe, mag ich Menschen. Nicht ohne Grund habe ich mir einen Beruf ausgesucht bei dem ich mit Menschen arbeite. Ich bin durchaus gesellig und präferiere immer das Zusammenleben mit anderen Menschen gegenüber dem Leben alleine. Ob Wohngemeinschaft, Freunde, Familie oder der Partner – ich habe gerne jemanden um mich.
Trotzdem komme ich nur schwer in Kontakt mit neuen Leuten. Ich bin weder schüchtern, noch besonders still. Sicher bin ich kein Mensch der besonders lauten Töne, aber unterhalten tue ich mich durchaus gerne. Das große Problem was ich habe, ist schlicht, dass es mich in der Regel nicht interessiert, was mein Gegenüber sagt. Ich bin ein bekennender Feind des Small-Talks. Diese Oberflächlichkeiten und völlig sinnfreien Gespräche empfinde ich als persönliche Zeitverschwendung. Es graust mir vor Situationen, wo ich Small-Talk betreiben muss. Krampfiges Reden über die Wetteraussichten, das gegenseitige Imponieren durch die eigene berufliche Stellung, der Kauf des neuen Autos, Kochtopfs oder Nagellacks – es gibt nichts was mich weniger interessieren würde. Es ist mir völlig egal, welchen Beruf mein Gegenüber hat, wie das Wetter wird, sehe ich selber und ich bin noch nie jemand gewesen, der anderen Frauen ein „OOOOOOH MEIN GOTT DU BIST SOOOO HÜBSCH“ entgegen kreischt. Das liegt nicht daran, dass ich keine anderen Frauen hübsch finden würde, sondern weil solch ein Gebaren schlicht nicht „meins“ ist. Genauso wenig habe ich dementsprechend den Drang zu erzählen, was ich zuletzt für einen Nagellack gekauft habe oder welches Auto ich fahre – natürlich gehe ich davon aus, dass auch mein Gegenüber sich dafür nicht interessiert.
Das Treffen anderer Hundehalter
Dieses Problem erübrigt sich schlagartig, wenn ich andere Hundebesitzer treffe. Sofort habe ich Gesprächsthemen, die ich höchst interessant finde. Ich schaue mir gerne Bilder anderer Hunde an um ein „oh wie süüüüß“ loszuwerden, höre mir die Geschichten von bratwurstklauenden Beagles und ziehenden Berner Sennenhunden an oder bin völlig hin und weg vom neuen Geschirr. Selbst beim Essen kann ich mich über Kotfarbe und –konsistenz der Vierbeiner unterhalten.
Ich mag Hundemenschen nicht nur, weil Hunde meine Leidenschaft sind. Ich finde es total spannend Menschen über ihre Hunde kennenzulernen. Nichtssagender Small-Talk ist es dann nicht mehr, wenn mir Leute über sich und ihre Hunde erzählen. Habe ich jemanden vor mir, der eher ein kreativer Freigeist oder ein eher konservativer Mensch ist? Ist das jemand der auch Konflikte nicht scheut und kein Blatt vor den Mund nimmt? Ist er eher ängstlich oder womöglich naiv? Selbst über die jeweilige Partnerschaft erfährt man etwas, wenn es um die Mithilfe und das Mittragen der Hundehaltung geht. All das sind Dinge, die mir viel wichtiger sind, wenn es darum geht jemanden kennenzulernen, als seine berufliche Stellung oder der Kauf des letzten Nagellacks.
Nicht zuletzt verbindet das Hobby einfach. Schnell kommt man darüber in ein Gespräch und es tut gut, zu merken, dass man mit diesem Hobby nicht alleine ist. So ist man immerhin nicht die einzige Bekloppte mit den Hunden.
Der Hund als ‚Sozialkleber‘
Hunde verschaffen uns nicht nur das angenehme Zusammenleben mit einem tierischen Sozialpartner und ein bisschen Naturerleben – sie verschaffen uns auch neue soziale Beziehungen zu Menschen. Es ist sicher eine gewagte These, aber ich denke, dass wir uns auch Hunde halten, um mit anderen Menschen (wieder) in Kontakt zu kommen.
Individualisierung ist das große Stichwort an dieser Stelle. Damit ist gemeint, dass heutzutage in unserer Gesellschaft der Mensch aus den traditionellen Zwängen und Bindungen heraus gelöst ist. Anders als früher, wo Kirche, Gewerkschaft, Familie und Arbeit sowohl den eigenen Werdegang, als auch das Zusammenleben mit anderen Menschen bestimmten, bestimmt heute der Mensch selber, wie sein Leben aussieht. Weder muss man den Beruf ergreifen, den der Vater ergriff, noch muss man Kinder bekommen und heiraten, weil die Kirche das vorschreibt. Mit der Auflösung dieser traditionellen Bindungen kommen neue Möglichkeiten und Freiheiten für jeden einher. Dies kann nicht nur befreien – es kann auch maßlos überfordern und einsam machen. Der Mensch ist aber ein soziales Lebewesen. Er braucht Sicherheit und Beziehungen. Unsere Hunde bieten uns nicht nur die sichere Beziehung zu ihnen selbst – sie bieten uns auch die Möglichkeit über sie mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und zu bleiben.
Ob es das Engagement in einem Hundeverein ist, das Treffen von Gassigehbekanntschaften, der Austausch in der Hundeschule oder der Plausch auf der Hundewiese – all dies bringt uns mit anderen zusammen. Dies lässt sich auch in den sozialen Netzwerken gut nachvollziehen. Die doch häufig als unsozial verschrienen Hundehalter suchen dort einander. Sie tun sich in Gruppen zusammen, abonnieren und befreunden sich gegenseitig und tauschen sich schlicht aus. Ich glaube nicht nur, dass Hunde einander brauchen – ich denke auch Hundehalter brauchen einander.
Der Hund als ‚Sozialspalter‘
Nun sind aber auch Hundehalter nur Menschen. Wir kennen es von unseren Hunden – Sozialverhalten besteht nicht nur aus sozio-positiven Verhaltensweisen. Und so bestehen auch die Inhalte der Hundebesitzer in den sozialen Netzwerken nicht nur aus lustig fröhlichem Hundeklatsch und spannendem Fachaustausch. Neid und üble Nachrede unter Züchtern, Gruppendynamiken die bis ins Mobbing ausarten, Behauptungen die zu Shitstorms heran wachsen, Trolle, die am liebsten hetzen und beleidigen. Wer sehen will, wie all das Schlechte im Menschen zusammen- und rauskommt, muss sich nur mal in die virtuelle Hundeszene wagen.
Und hier schließt sich auch der Kreis zu mir. Auch ich habe Punkte, die mich triggern. Aussagen, die ein Jucken in meinen Fingern veranstalten. Dinge die mich wütend machen und die mich lange beschäftigen. Das kostet meine kostbare Zeit und meine Energie. Energie die ich für etwas viel Produktiveres als für simples Ärgern nutzen könnte. Wie auch im realen Leben nerven mich die Großkotzer. Ich habe lieber zig Uschis, die „Tierquäler!“ brüllen, als nur Einen der empathielos und vollmundig jemandem anderen hinrotzt, was für ein großartiger Hundeführer er doch ist und wie unfähig doch das Gegenüber sein muss. Besonders schwer zu ertragen werden diese Leute, wenn sie sich noch zusammen rotten und gemeinsam andere Leute nieder machen. Während ich im realen Leben gerne andere erfahrene Hundehalter mal frage, ob sie bei mir und meinem Hund drüber schauen könnten, würde ich niemals ein Video in einem sozialen Netzwerk rein stellen mit der Bitte, da mal seine fachliche Meinung zu sagen. Meinung bekommt man viel – Fachliches dafür wenig.
Mein Social Media Detox
Eigentlich mag ich die sozialen Netzwerke. Ich komme so schnell mit anderen Hundehaltern in Kontakt, werde mit Bildern, Videos und Fachbeiträgen versorgt und lerne wahnsinnig spannende und großartige Menschen (und Hunde) kennen. Eigentlich mag ich das. Aber in letzter Zeit konnte ich die Trolle, Großkotzer und Tierschutzuschis einfach nicht mehr ertragen. Meine Lösung hieß Tabula rasa – zumindest vorübergehend. Ich zog mich komplett aus den sozialen Netzwerken zurück und beschränkte mich auf meine realen Hundehalterkontakte. Meinen Account bei Facebook deaktivierte ich und schmiss die zugehörige App von meinem Handy. Neudeutsch nennt sich dies Social Media Detox.
Es folgte eine zuerst schwer anzunehmende, aber später entspannende Ruhe. Erst da wurde mir bewusst, wie sehr all dies meinen Alltag doch bestimmt. Morgens mal einen Blick auf Facebook werfen, zwischendurch mal checken ob es etwas Neues gibt und abends in Gruppen lesen und diskutieren. Morgens erwarteten mich dann zig Benachrichtigungen – so viele, dass ich die oft gar nicht mehr alle verfolgen konnte. All dies entfiel nun plötzlich und damit einher ging eine unglaubliche Ruhe. Kein Handygebimmel mehr, kein permanentes Abchecken, kein Druck, weil ich noch unbedingt abends den PC anmachen muss, um jemandem zu antworten (ich bekomme beim Handygetippel die Krise). Stattdessen machte ich seit Monaten das erste Mal abends den Fernseher an und entspannte mich. Kopf aus und Beine hoch. Meine zusätzliche Zeit nutzte ich aber auch für Produktives. Lange liegen Gebliebenes konnte ich endlich abarbeiten und ich hatte Zeit um zu lernen.
Fazit
Es war eine geruhsame Zeit, aber ich habe entschieden, dass sie nun vorbei ist. Das liegen Gebliebene ist abgearbeitet und langsam vermisse ich auch meine sozialen Kontakte. Selbst bei Leuten, die ich nicht nur rein virtuell „kenne“, bekomme ich kaum noch etwas mit. Selbst wenn ich mit jeder Hundebekanntschaft nur einmal in der Woche telefonieren würde, um auf dem Laufenden zu sein, hätte ich keine Zeit mehr für irgendetwas anderes. Ich möchte aber wissen, wie sich die Welpen entwickeln. Ich möchte wissen, was die Leute mit ihren Hunden erlebt haben. Ich möchte wissen, wie es ihnen und ihren Tieren geht. Ich möchte mich mitfreuen können bei Erfolgen und Mittrauern, wenn ein geliebtes Tier geht.
Eines habe ich allerdings schon entschieden: Eine Facebook-App brauche ich nicht mehr. Ich möchte keine Benachrichtigungen haben, die zwischendurch schlicht und ergreifend stören. Wenn ich Lust habe, dann mache ich den heimischen Rechner an und nehme mir bewusst Zeit zum Nachschauen und Mitdiskutieren. Und wenn mir die Zeit fehlt, dann bleibt der Rechner eben aus. Wie ich meine Triggerpunkte entschärfe, weiß ich allerdings noch nicht. Ich möchte in Zukunft dem Jucken im Finger nicht mehr so schnell nachgeben. Aber vielleicht habt ihr ja eine Idee dazu? Ich würde mich freuen, wenn ihr mir eure Strategien im Umgang mit Trollen, Tierschutzuschis, Shitstormern und Proleten mitteilen würdet. Ich bin gespannt!
Autorin: Nina Dany