Zweimal in der Woche kommt Schulhund Nessie zum Unterricht in die Willy-Brandt-Gesamtschule in Köln. Mit ihm genießen die SchülerInnen Ruhe, Erfolgserlebnisse, Respekt und Kommunikation. Der Unterricht heißt dann Schulhundunterricht und ist fester Bestandteil des Sozialen Lernens an unserer Schule.
Wenn mein Hund Nessi und ich in die fünfte Klasse kommen, sitzen die SchülerInnen schon im Stuhlkreis. Nachdem wir alle Verhaltensregeln im Umgang mit Nessie geklärt haben, begrüßt sie jede/n SchülerIn einzeln. Die Signale und Kommandos werden den SchülerInnen gezeigt, anschließend können sie selbst Aufgaben mit Nessie absolvieren.
Anfangs macht jede/r SchülerIn eine einfache Übung wie z.B. „Sitz“ und lernt schon hier, dass neben dem gesprochenen Kommando ein Handzeichen gemacht werden soll und dass Körpersprache ein wichtiges Mittel der Kommunikation ist. Der Schwierigkeitsgrad der Übungen erhöht sich von Woche zu Woche, bis die SchülerInnen am Ende auf dem Schulhof trainieren. Hier zeigt sich auch für die anwesenden KlassenlehrerInnen immer wieder ganz deutlich, dass im Schulhundunterricht alle gleich sind. Nessie macht keinen Unterschied und akzeptiert jeden Menschen, egal in welcher Schublade er/sie sonst (auch für sich selbst) steckt. Somit ist ein Schulhund nicht nur ein nützlicher Baustein für das Soziale Lernen, sondern auch für das Gelingen der Inklusion.
Nach jeder Arbeitsphase reflektieren wir und dabei stellt sich heraus, dass die SchülerInnen jede Einzelheit registrieren und benennen können. Im Unterrichtsgespräch wird das Gesehene auf eine Metaebene gehoben und mit Fragen des Sozialen Lernens aber auch des NW-Unterrichts verbunden. Bemerkenswert und erfreulich ist, dass die SchülerInnen fast ausnahmslos Nessie als Individuum anerkennen und das Thema Rücksichtnahme und Klarheit in der Kommunikation durch den Schulhundunterricht eine Grundlage bekommt, auf der sich aufbauen lässt.
Nessie vertreibt Kopfschmerzen
Die SchülerInnen selbst geben in der Reflexion an, dass sie die Sauberkeit in den Klassen und die Ruhe besonders schätzen. So sagen sie z.B., dass sie nach einer Doppelstunde Schulhundunterricht keine Kopfschmerzen mehr haben, oder sich wünschen, dass es in der Klasse immer so sauber sein solle, wie es für den Schulhundunterricht für uns eine Bedingung ist. Konflikte gibt es im Schulhundunterricht nach unseren Erfahrungen nicht.
Der Schulhundunterricht hilft den SchülerInnen dabei ein Selbstwertgefühl aufzubauen, indem sie eventuelle Ängste abbauen. Bei manchem/r SchülerIn haben wir Lehrer das Gefühl, dass sie nach dem Unterricht ein paar Zentimeter gewachsen sind und dieses Gefühl „Ich kann was“ auch mit in die nächsten Fachunterrichtsstunden nehmen können.
Ängste abbauen und besser lernen
Dass Hunde an Schulen immer häufiger zum Einsatz kommen, liegt an ihrer positiven Wirkung. Die Hunde fördern das allgemeine Befinden von Menschen: Durch das Streicheln eines Hundes senkt sich nachweislich beim Menschen der Puls, es kehrt Ruhe ein. Besuchshunde in Therapieeinrichtungen, Seniorenheimen usw. erfüllen schon seit längerer Zeit diesen Zweck. Dass Hunde den Lernprozess unterstützen, ist ein zusätzliches Argument für Schulhunde.
Häufig werden sie in Grund- oder Förderschulen eingesetzt und begleiten dort eine Lehrerin oder einen Lehrer im Unterricht. Die positiven Effekte von tiergestützter Intervention sind unumstritten: Tiere fördern emotionale und soziale Intelligenz, verbessern Motivations- und Kommunikationsfähigkeit, bauen Ängste ab, fördern die Selbstwahrnehmung, spiegeln das eigene Verhalten und vieles mehr. Der Schulhundunterricht ist ein fester Bestandteil des Schulprogramms an der Willy-Brandt-Gesamtschule Köln. Er findet im fünften Jahrgang statt und ist äußerst beliebt und stark nachgefragt.
Schulhundprogramm für alle Kinder
Das Schulhundkonzept der Willy-Brandt-Gesamtschule hat eine Besonderheit: An anderen Schulen nehmen Hundehalter üblicherweise ihren Schulhund in den eigenen Unterricht mit. An großen Schulen bedeutet dies, dass nicht alle Lerngruppen in gleicher Weise von diesem Angebot profitieren können. Deshalb hat sich unsere Schule bereits im Jahr 2013 dazu entschlossen, ein eigenes Schulhundprogramm zu erarbeiten, an dem alle Schülerinnen und Schüler teilnehmen können. Der Schulhundunterricht an der Willy-Brandt-Gesamtschule Köln findet als Unterrichtsreihe nacheinander in allen fünften Klassen statt und dauert rund vier bis sechs Wochen mit jeweils einer Doppelstunde pro Woche.
SchülerInnen mit Allergien werden u.U. in der Parallelklasse untergebracht. Niemand wird zur aktiven Teilnahme verpflichtet. Sollten SchülerInnen Angst vor Hunden äußern, können sich diese Kinder anfangs außerhalb des Stuhlkreises auf die Tische setzen. Bisher sind allerdings alle SchülerInnen während der Unterrichtstreihe von den Tischen zurück in den Stuhlkreis gekommen und haben aktiv teilgenommen. Für Nessie ist der Einsatz in den fünften Klassen sehr anstrengend, daher ist er auf vier Wochenstunden begrenzt. Darüber hinaus können KollegInnen das Schulhundteam für ihren Fachunterricht buchen. Ob Kunst- oder Biologieunterricht, sogar im Religionsunterricht gibt es sinnvolle Möglichkeiten einen Schulhund einzubinden.
Lebenslanges Lernen auch für Hunde
Nessie ist ein Belgischer Schäferhund und lernte bereits als Welpe den Umgang mit Kindern: Sie hospitierte beim Schulhundunterricht unseres Vorgängers. Dort zeigte sich schnell, dass Nessie die Idealbesetzung für die Nachfolge sein würde – die wesentlichen Eigenschaften wie Neugier, Stressresistenz und Menschenfreundlichkeit bringt sie im hohen Maße mit. In der Klasse genießt sie es, der Star zu sein, auch wenn es sehr anstrengend für sie ist, ca. 60 Minuten am Stück mit den SchülerInnen Übungen zu machen. Da hilft es sehr, dass meine Frau ehrenamtlich dabei ist und mit Nessie nach dem Unterricht die Heimreise antreten kann.
Neben dem Training in der Schule haben sich Nessie, meine Frau und ich als Team ein Jahr lang vorbereitet und den Hundeführerschein BHV (Berufsverband der Hundeerzieher/innen und Verhaltensberater/innen e.V.) erworben. Auch jetzt noch besucht Nessie zwei Hundeschulen. Ein Tierarzt untersucht sie monatlich auf Krankheiten.
Fazit: Schulhund an der Willy-Brandt-Gesamtschule in Köln
Der Schulhundunterricht leistet einen wichtigen Beitrag, das Soziale Lernen zu verbessern. Zudem fördert er das Wohlbefinden und das Selbstwertgefühl. Durch das Konzept der Willi-Brandt-Gesamtschule profitieren alle SchülerInnen des fünften Jahrgangs der achtzügigen Gesamtschule mit zwei Standorten von diesem Angebot. Wünschenswert wäre eine Kontinuität des Schulhundsunterrichts in den weiteren Jahrgängen. Dies ist aufgrund der vorhandenen Ressourcen derzeit nicht möglich.
Gastautor: Johannes Gläßer