Es gibt Fälle, in denen eine Kastration notwendig und richtig ist.
Bei einer gesunden Hündin sollte man sehr genau überlegen, was für diesen Hund richtig ist.
Hier einige Informationen zum Nachdenken, die ich von einem Seminar mit nach Hause genommen habe:
Das Hormonsystem ist extrem komplex. Man kann nicht einfach die Hormone, welche die Fortpflanzung steuern von allen anderen, den Gesamtorganismus steuernden Hormonen trennen. Jedes Hormon fördert und/oder hemmt unzählige andere Hormone. In dem komplizierten System der Botenstoffe tritt mit einer Kastration ein Chaos ein. Die Evolution hat für diesen Zustand kein Programm, kein Heilsystem. Das Hormonsystem macht also „irgendetwas“ um mit diesem Ungleichgewicht umzugehen. Und „Irgendetwas“ bedeutet auch sehr oft Krankheit.
Verschiedene Studien zeigen, dass von 1000 unkastrierten Hündinnen durchschnittlich zwei bis maximal 18 an Mammatumoren (Gesäugekrebs) erkranken. Das ist eine Krebswahrscheinlichkeit zwischen 0,3 und 1,8 Prozent! Rechtfertigt diese Wahrscheinlichkeit eine Operation und die Entfernung eines gesunden Organs? Zumal gerade bei Krebs auch die Pfege, Fütterung und Lebesführung der Hündin eine große Rolle spielt, die Halter also durchaus auch noch Einfluss auf die Krebswahrscheinlichkeit haben.
Beim Thema Pyometra (Gebärmutterentzündung) ist es offenbar sehr schwer, die tatsächliche Häufigkeit zu ermitteln. Fest steht, dass läufigkeitsunterdückende Medikamente ganz massiv die Gefahr späterer Gebärmutterentzündungen fördern. Diese Fälle müsste man eigentlich aus der Pyometra-Statistik heraus rechnen.
Es ist aber kaum zu eruieren, ob eine Hündin, die eine Gebärmutterentzündung erleidet, irgendwann in ihrem Leben hormonell gegen die Läufigkeit behandelt wurde. Die Zahlen bleiben hier unklar. Klar ist, dass ein Organ, das nicht mehr da ist, auch nicht erkranken kann. Auf der anderen Seite verursacht das entfernte Organ auch wieder mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit andere Krankheiten. Wer will da voraussagen, was die bessere Alternative ist?
Der Verhaltens-Aspekt:
Dieses Thema kommt in erster Linie dann zum Tragen, wenn es um den Zeitpunkt der Kastration geht. Manche Tierärzte empfehlen eine Kastration vor der ersten Läufigkeit, damit das Krebsrisiko noch mehr gesenkt wird. Tatsächlich bekommen frühkastrierte Hündinnen noch seltener Gesäugekrebs als Hündinnen, die nach der ersten Läufigkeit kastriert werden. Wenn wir uns aber die oben beschriebene Wahrscheinlichkeit von Gesäugekrebs anschauen, fällt diese „Verbesserung“ kaum noch ins Gewicht.
Was aber ins Gewicht fällt, ist das Verhalten einer Hündin, die vor ihrer ersten Läufigkeit kastriert wurde: Sie bleibt ein ewiger Welpe. Sie wird nie die körperliche und geistige Reife einer erwachsenen Hündin erreichen. Ihr Fell wird plüschig und damit weniger effektiv im Schutz vor Nässe und Kälte sein. Ihre Knochen werden nicht so stabil wie die einer hormonell normal entwickelten Hündin, um nur mal zwei der körperlichen Folgen zu nennen.
Wesentlich bitterer für diese Hündin ist, dass sie nie wirklich verstehen wird, was erwachsene Hunde tun und wollen und ihr signalisieren. Sicherlich wird sie einerseits einfacher zu führen sein weil sie wahrscheinlich keine Aggressionen und Konkurrenzen gegenüber anderen Hunden entwickelt. Aber auf der anderen Seite können andere Hunde ihr gegenüber deutlich aggressiver werden, weil sie ein Welpenverhalten bei einem ausgewachsenen Hund nicht dulden und ihrerseits nicht verstehen, warum da ein körperlich erwachsenes Tier ein so unerwachsenes Verhalten an den Tag legt.
Besonders Hündinnen, die z.B. zur Arbeit in der Rettungshundestaffel eingesetzt werden sollen, brauchen eine gewisse erwachsene Selbständigkeit um ihre Aufgabe gut zu verrichten. Das schafft ein ewiger Welpe nicht.
Wenn also kastrieren, dann definitiv erst dann, wenn die Hündin die Chance hatte erwachsen zu werden und ihre volle körperliche und geistige Reife erlangt hat. Bei kleinen Hunden kann das nach zwei Läufigkeiten, bei großen
Rassen aber erst nach drei oder vier Läufigkeiten der Fall sein.