Als Hundetrainerin trainiere ich letzten Endes die Menschen. Eine Tatsache, die viele mittlerweile verstanden haben. Immerhin ist es der Halter, der den Alltag mit seinem Hund bestreitet und alles, was wir im Unterricht erarbeitet haben, umsetzen muss. Was diese Tatsache aber an Implikationen mit sich bringt, ist für viele Menschen – und auch Trainer*innen – oft nicht klar.
Die Wichtigkeit einer sorgfältigen und klaren Kommunikation liegt natürlich auf der Hand. Die Wichtigkeit von Wertschätzung, Wohlwollen und das Bewusstsein über die Macht der Sprache dagegen anscheinend nicht. Anders kann ich es mir nicht erklären, warum es immer noch viele Trainer*innen gibt, die Hundehalter und Hundehalterinnen im Training erst einmal runter machen und ihnen erklären, dass sie grundsätzlich alles falsch gemacht haben und ihr Hund wahlweise nichts kann oder die Weltherrschaft an sich reißen will.
Inhalt
Das Machtgefälle
Trainer*innen wird aufgrund ihrer Tätigkeit ein Wissensvorsprung unterstellt und dies schafft automatisch ein Machtgefälle. Umso sorgsamer heißt es damit umzugehen. Ich habe nicht wenige Menschen erlebt, die mir berichteten, wie sie im Laufe eines Trainings zusammen brachen oder nach einem Seminar wirklich daran zweifelten, ob sie ihrem Hund überhaupt noch gerecht werden. Natürlich ist es wichtig Dinge anzusprechen, aber die Frage ist, wie ich das tue. Bei einem stark emotional besetzten Thema können auch mal Tränen fließen. Jedoch ist es dann auch meine Aufgabe den Hundehalter, beziehungsweise die Hundehalterin wieder aufzufangen, Perspektiven sichtbar zu machen oder gegebenenfalls an einen Kollegen oder eine Kollegin weiter zu verweisen, wenn ich nicht weiter weiß. Es ist erschreckend wie viele Trainer*innen den hilfesuchenden Menschen mit wertenden und absoluten Aussagen entgegen treten, die niemanden weiter bringen.
„Dein Hund hat kein Vertrauen zu dir.“
„Ihr habt ja gar keine Bindung!“
„Der tanzt dir auf der Nase rum!“
Das sind Aussagen, die etwas mit dem Menschen machen, der sie hört. Und wo wir schon dabei sind:
„Du musst dem halt mal zeigen, wer das Sagen hat!“
„Du musst halt selbstbewusst sein!“
„Setz dich durch!“
Mit diesen nicht existenten Anleitungen, ist auch keinem Hundebesitzer geholfen. Dadurch, dass dies überhaupt nicht umsetzbar ist, zweifeln die Menschen nur noch mehr an sich. Ganz davon ab sollte bekannt sein, dass Lernen vor allem dann besonders effektiv stattfinden kann, wenn ein positives Umfeld vorhanden ist. Wie soll das gehen, wenn man Menschen das Gefühl gibt, nichts zu können? Übrigens: Ein Herziehen über andere Trainer trägt in der Regel auch nicht zu einem positiven Lernklima bei. Gutes Training steht für sich – wer die Abwertung anderer Trainings benötigt, um sich gut darzustellen, hat vermutlich kein besonders gutes Training in petto.
Die Rolle der Sprache
Sprache ist ein machtvolles Instrument, mit dem ich grade im Hundetraining viel Schaden anrichten kann. Hundeerziehung ist ein emotional besetztes Thema und es geht den Halter*innen sehr nahe, wenn sie etwas nicht schaffen. Die Kommentare anderer Leute im realen Leben und in den sozialen Medien machen es da nicht leichter. Schuld ist ja immer das andere Ende der Leine – das wird ja überall gepredigt. Wer beim Gassi auffällt, wird gerne mit einem „na, der ist aber unerzogen!“ oder schlimmeren bedacht. Völlig übergriffige Kommentare, die direkt Dinge unterstellen, ohne die ganze Geschichte zu kennen und dabei auch noch komplett wertend sind.
Früher war alles besser…
Erst zuletzt las ich mehrere Posts und Kommentare von Männern (nicht, dass dies Frauen nicht auch könnten, aber bei mir waren es nur Männer) mit mehr oder weniger Trainingserfahrung, die doch recht deutlich machten, dass heutzutage alles schlimm sei, früher alles viel besser war und grundsätzlich die Hundebesitzer*innen genauso wenig Ahnung haben, wie alle Trainer*innen und sowieso alle verweichlicht sind. Es war etwas netter ausgedrückt, aber letzten Endes war das die Aussage. Viel Meinung mit wenig Substanz.
Gab es belastbare Zahlen dazu? Natürlich nicht. Es waren gefühlte Wahrheiten bei denen eigene Erfahrungen auf Basis des eigenen Weltbildes interpretiert wurden. Die Erfahrung, dass es immer häufiger Menschen gibt, die Probleme damit haben, ihrem Hund eine Grenze aufzuzeigen, wurde einfach damit in Verbindung gebracht, dass wissenschaftliche Erkenntnisse heute in vielen Trainerausbildungen eine gewisse Rolle spielt. Sprich: Wissenschaftliche Erkenntnisse in Trainerausbildungen führen zu Hundehalter*innen, die ihren Hunden keine Grenze mehr aufzeigen können. Das ist ein derart weiter Spagat, dass mir die Worte fehlen. Eine andere Aussage war, dass Hundehalter ja selbst Schuld sind, wenn sie teilweise unverträgliche Hunde haben, weil sie sie nicht einfach mit jedem Hund interagieren lassen. Mit „jeder Hund“ war natürlich der eigene Hund gemeint. Dass es Gründe gibt seinen Hund nicht zu Artgenossen laufen zu lassen, wurde einfach gar nicht groß in Betracht genommen. Dass man bei einem Spaziergang nur einen kleinen Teil der Realität dieses Teams sieht, wurde auch gar nicht reflektiert.
Eigene Vorstellungen und Ansprüche als Trainer*in
Eine Falle in der man auch als Trainer*in schnell tappen kann. Und deswegen gehört es zum Job auch dazu, die eigenen Vorstellungen auf den Prüfstand zu stellen. Die Ansprüche an meine Hunde sind nicht die Ansprüche anderer Hundehalter*innen an ihre Hunde. Meine Vorstellung von Hundehaltung muss nicht per se die einzig Richtige sein, denn sie ist eng mit meiner Moral, meinen Werten, meinen Erfahrungen und meiner Persönlichkeit verknüpft. Und dementsprechend kann sie nicht deckungsgleich sein mit der aller anderen Hundehalter*innen.
Der Mensch im sozialen System
Als Hundetrainerin muss ich nicht nur Wissen über den Hund haben. Dazu gehört auch Wissen über den Menschen und damit verknüpft eine gewisse Einstellung. Ein Hund lebt nicht autark mit seiner Bezugsperson. Beide leben eingebunden in ein soziales System. Das sind die Familie, der Freundes- und Bekanntenkreis, die Nachbarschaft und natürlich die Gesellschaft. Einem Single in der Großstadt ist womöglich etwas ganz anderes wichtig, als der Familie auf dem Land. Und auch die Anforderungen an die Hunde unterscheiden sich teilweise stark. Ohne Wissen von diesen Verflechtungen kann Hundetraining schnell scheitern. Trainingspläne, die bspw. viel Zeit und Aufmerksamkeit und eine möglichst ablenkungsfreie Umgebung benötigen, sind in einer Familie mit kleinen Kindern oft gar nicht umsetzbar.
Besonders schwierig wird es dann, wenn ohne Wissen über diese Umstände auch noch die Menschen verurteilt werden, wenn sie Trainings nicht umsetzen können. Dabei sollte die Frage dann lauten: Warum konnte der Mensch es nicht umsetzen und was kann ich ändern, damit der Mensch dies kann?
Individualität am Menschen orientieren
Und dazu kommen wir zum nächsten Punkt. Gerne wird von Individualität im Hundetraining gesprochen, womit meistens gemeint ist, dass es je nach Hund unterschiedliche Trainingsansätze gibt. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Trainingsansätze müssen eben auch zum Menschen passen. Wer einen kumpelhaften Umgang mit seinem Hund pflegt und wenig Gefühl für das richtige Timing hat, wird beim Clicker-Training vermutlich weniger glücklich werden. Wer in Konflikten mit dem Hund sehr emotional wird, wird bei körpersprachlichen Lösungen schnell frustriert sein. Natürlich muss auch der Mensch kleinschrittig gewisse Dinge lernen. Aber Persönlichkeiten ändern wir nicht im Hundetraining. Da gilt es den machbaren Weg zu finden, der für alle Seiten das Beste raus holt. Das bedeutet auch mal Trainingsgrenzen zu erkennen und Lösungen in Form von Management zu finden. Niemand muss nach Perfektion streben – wie langweilig sind denn bitteschön perfekte Beziehungen und wo gibt es die überhaupt?
Das positive Menschenbild
Um so etwas zu finden, ist es wichtig, ein positives Menschenbild zu haben. Nur wenn ich davon ausgehe, dass der Mensch Verhaltensweisen ändern kann, er gewillt ist zu lernen, er dies nach seinen Möglichkeiten auch tut, nur dann kann ich im Hundetraining etwas erreichen. Wenn ich davon ausgehe, dass der Mensch zu faul ist, er keine Ahnung hat und sowieso nicht will, dann kann ich ihn nicht anleiten. Jede Kommunikation ist damit zum Scheitern verurteilt. Und dazu zählt auch das gesamte Bild zu erfassen: Wie lebt der Mensch denn und was ist ihm wichtig? Wie ist seine Einstellung zum Hund?
Ich sehe als Trainerin immer nur einen extrem kleinen Teil vom Zusammenleben. Auch wenn ich Hunde einschätzen kann, ist immer noch derjenige, der 24/7 mit dem Tier verbringt derjenige, der es am besten kennt. Hundehalter*innen sind die Experten ihrer eigenen Hunde. Bei Verständnisschwierigkeiten gebe ich meine Sichtweise weiter und erkläre sie im gesamten Kontext. Das kann gar nicht von oben herab geschehen, sondern muss im Austausch mit den Halter*innen sich entwickeln.
Dazu gehört auch den Menschen, der vor einem steht und Hilfe sucht in seiner Lebenswirklichkeit anzunehmen und zu akzeptieren und sich nicht an Schwächen aufzuhalten, sondern die Stärken zu erkennen und auf diesen aufzubauen.
Hinzu kommt die geänderte Rolle des Familienhunds – weg von der reinen Nutzung als Gebrauchs- und Prestigegegenstand hin zu einem Familienmitglied, das sehr eng mit seinen Menschen zusammen lebt.
Das klingt anspruchsvoll? Das ist es auch. Hundetraining erfordert neben dem Wissen vom Hund eben auch viel Wissen vom Menschen. Es ist somit ein pädagogischer Beruf, der auch viel mit der eigenen Einstellung zu tun hat. Wer das große Ganze nicht sieht und seine eigene Rolle mitsamt eigener Einstellungen nicht reflektiert, kann kein gutes Hundetraining anbieten.
Ich könnte schreien, wenn Menschen in mein Training kommen und wie ein Häufchen Elend da sitzen und mir sagen, dass sie ja wissen, dass sie viel falsch gemacht haben und es gar nicht drauf haben. Und neben ihnen sitzt ein ziemlich cooler Hund, der gar nicht versteht, warum seine Halter*innen nun plötzlich weinen. Im Hundetraining geht es darum sich als Trainer überflüssig zu machen – wie soll das gehen, wenn man sie derart klein macht? Und wem soll damit geholfen werden? Dem Hund sicherlich nicht!
Überprüfung der Hundetrainer*innen
Und an dieser Stelle lässt sich auch festhalten, dass die Überprüfung von Hundetrainer*innen nach §11 Tierschutzgesetz diesen Umstand nicht besser gemacht hat. Es sind Tierärzte die diese Prüfung abnehmen. Ganz davon ab, dass diese in der Regel sehr viel weniger Wissen und Erfahrung im Bereich Hundeverhalten und Hundetraining haben – Ahnung von Pädagogik haben sie ganz bestimmt nicht.
Fazit
Wer Hundetrainer*in werden will, sollte nicht nur eine Leidenschaft für Hunde haben. Auch die Leidenschaft für den Menschen muss da sein, die Bereitschaft zur Selbstreflexion und grundsätzliche Kritikfähigkeit. Und an dieser Stelle muss ich sagen, dass es eben früher nicht besser war. Der Beruf professionalisiert sich zusehends und die Rolle des Menschen wird in Aus- und Fortbildungen immer wichtiger. Zum Glück ändern sich Dinge. Zum Glück für Hunde und ihre Menschen, denn nur wer den Mensch hinter dem Hund versteht, kann diesem helfen.
Über die Autorin:
Nina Dany-Hirsch ist Hundetrainerin mit eigener Hundeschule (hundeschule-hundesache.com). Inspiriert von den eigenen Erfahrungen mit ihrem (Problem-)Hund begann sie für Planet Hund Artikel zu schreiben. Nach ihrem erziehungswissenschaftlichen Studium folgte sie ihrer Leidenschaft und begann eine Ausbildung als Hundetrainerin. Heute lebt sie mit ihrer Familie, ihren beiden Hunden und Katzen im südlichen Münsterland und bietet sowohl dort, als auch in Ratingen und Umgebung Hundetraining an.