Ignorieren gehört zu den ganz normalen Verständigungsmitteln beim Hund. Man muss es aber ein wenig üben. Der Hund darf wirklich überhaupt nicht beachtet werden. Das ist gar nicht so einfach. Die Frage, wozu das gut ist, ist leicht beantwortet. Der Hund muss wissen, dass er in bestimmten Situationen nicht die Hauptperson ist. Wenn er zum Beispiel bettelt oder nervt und man selbst in Ruhe arbeiten möchte, ohne gestört zu werden, oder wenn er einen anspringt und so weiter.
Möchte man einen Hund, der weiß, wann man in Ruhe gelassen werden möchte, muss man lernen, ihn zu ignorieren. Einige Leute sagen, das sei gemein. Im Umgang mit Menschen gilt es als extrem unhöflich. Aber da man nur unerwünschtes Verhalten ignoriert, kann ich dieser Meinung nicht folgen. Auch im menschlichen Miteinander würde sich einiges vereinfachen, wenn man in dieser Beziehung von den Hunden lernte.
Schaut man ihnen nämlich bei ihren Begegnungen genau zu, kann man sehen, was Ignorieren bedeutet und welche Folge es hat.
Als meine Hündin Paula klein war, hatte sie ständig Lust auf Spielchen. Wenn sie jedoch einen Hund zum Spielen aufforderte, den das nicht interessierte, konnte sie eine ganze Weile um ihn herumspringen und ihn anstupsen oder anbellen, er ignorierte sie total. Er stand da, als ob sie überhaupt nicht da wäre. Paula merkte sehr schnell, was das bedeutet und trollte sich.
Eltern, die von ihren Kindern genervt werden, fangen dagegen oft an, wütend zu werden und zu schreien, oder geben nach. Vielleicht sollten sie mal den Hunden zuschauen.
Auf Betteln, Jaulen, Bellen und allerlei andere Aufforderungen sollte man nie reagieren. Am besten man dreht sich um und schaut weg. Das fällt oft schwer, weil der Welpe ja soooo süß ist und so niedlich schaut. Der Hund lernt wie ein Kleinkind in solchen Situationen: Je lauter ich schreie, desto mehr bekomme ich das, was ich will. Und das möchte doch kein Hundebesitzer und auch kein Vater bzw. keine Mutter eines Kindes.
Eine Frage der Entscheidung
Als Paula gerade stubenrein war und zu mir kam, fiepte und zur Tür wollte, ging ich natürlich freudig mit ihr nach draußen. Das hatte sie schnell gelernt. In allen möglichen Situationen, häufig, wenn wir gerade gemütlich beim Essen saßen, kam sie auf diese Weise an. Ich hielt es zuerst für meine Pflicht, sie dann nach draußen zu begleiten, bis ich merkte, dass es ihr nur darum ging.
Irgendwann habe habe ich zu ihr gesagt: „Und wenn du hier jetzt hinpinkelst, ich gehe nicht mit dir raus.“ Sie hat das natürlich nicht verstanden und noch einige Male versucht, mich „rumzukriegen“, aber auch Bellen hat nichts genützt. Also hat sie es, weil sie ja schlau ist, bald nachgelassen. Inzwischen weiß Paula ganz genau, wann wir in Ruhe gelassen werden wollen.
Situationen, in denen Ignorieren nicht ausreicht
Wenn am Esstisch zum Beispiel etwas zu gut riecht, kommt sie doch manchmal noch an. (Wir sind nicht ganz unschuldig daran, weil wir ihr zu Anfang öfter mal etwas gegeben haben.) Da hat das Ignorieren nur zur Folge, dass sich ihre Nase immer näher an die Tischkante drängt und sogar manchmal ein wenig auf den Tisch legt.
In dem Moment ist ein deutliches „Platz“ angesagt. Das muss natürlich gut eingeübt sein, damit es in der Situation auch funktioniert. Wir haben lange dazu gebraucht, dass Paula dieses Kommando ernst genommen hat, weil wir es zu Anfang nicht häufig und vor allem nicht konsequent genug geübt hatten. Paula mochte es nämlich gar nicht und hat mich immer nur frech angeschaut, so als wollte sie sagen: Ich halte länger durch!
Also dranbleiben und so lange warten, bis Euer Hund es wirklich befolgt. Das kann minutenlang dauern, vor allem, wenn man es – so wie wir – durch Inkonsequenz „vermasselt“ hat.
Auch das Ignorieren muss wirklich konsequent geschehen. Kein Blick, kein Wort, keine Berührung. Zur Not aus dem Fenster schauen oder in die Zeitung, die Wolken am Himmel zählen etc., und zwar so lange, bis der Hund seine Versuche nachlässt.
Ignorieren bringt auch Ruhe in die Mensch-Hund-Beziehung, eben weil es ein normales Verständigungsmittel unter Hunden ist. Sie lassen sich einfach nicht nerven und müssen auch nicht schimpfen.
Wenn man es mal eine Weile in allen möglichen Situationen durchgehalten hat, hat man ganz schnell einen entspannten Hund, der einem nicht ständig an den Rockschößen hängt.
Titelfoto/Autorin: Hilde Kasprzik