Es war einmal eine Frau, die gerne immer nett zu ihren Hunden sein wollte. Sie informierte sich über Trainingsmethoden und besuchte Seminare und Fortbildungen, um zu erfahren wie man einen Hund ganz ohne Strafe erzieht. Sie erfuhr schnell, dass man Problemverhalten umlenken müsse, ein rein positiv aufgebautes Alternativverhalten ebenfalls effektiv sei, man durchaus immer nett zu seinen Hunden sein könne, wenn man nur früh genug bestätige und dass sämtliche Strafmaßnahmen zu einem ängstlichen und hilflosen Hund führen würden.
Als Mittel der Wahl wurde ihr der Clicker in die Hand gedrückt, sie erfuhr einiges über Verstärkungssysteme und wie man diese in der Arbeit nutzen kann. Die Dame war begeistert! Endlich eine nette Art mit Hunden umzugehen, ganz ohne Strafe. Schnell fand sie, dass dies auch andere Hundehalter erfahren müssten und machte eine Hundeschule auf. Auf ihrer Webseite prangte der Slogan „ich arbeite ausschließlich positiv mit Hunden über Belohnungen“. Und wenn sie nicht gestorben ist, so klickert sie noch heute.
Realität im Hundetraining
Ein Märchen? Leider Realität. Das Märchen an der ganzen Geschichte ist aber ein ganz entscheidender Punkt: In der Realität ist ein Training und die ganze Hundehaltung ohne Strafe nicht möglich.
Was wird als Strafe hier empfunden? Strafe wird in einem lerntheoretischen Sinn verstanden, das heißt entweder als positive Strafe (hinzufügen eines unangenehmen Reizes, weswegen ein Verhalten weniger auftritt) oder als negative Strafe (ein angenehmer Reiz wird entzogen, weswegen ein Verhalten weniger auftritt).
Ebenfalls abgelehnt wird dabei aber auch die negative Verstärkung. Hier wird durch die Wegnahme eines unangenehmen Reizes ein Verhalten verstärkt. Dies ist problematisch, da man vorher einen unangenehmen Reiz hinzufügen muss um diesen anschließend wegnehmen zu können. Im Klartext bedeutet dies, dass dieser Effekt in Verbindung mit der positiven Strafe auftritt, die ja abgelehnt wird. Bleibt nur Eines: Die positive Verstärkung bei der etwas Angenehmes hinzugefügt wird, damit ein Verhalten häufiger auftritt.
Das klingt natürlich ganz nett und viele fallen auf die Masche der „Arbeit mit bloßer positiver Verstärkung“ rein. Einfach nur eine Belohnung hinzuzufügen, um ein Verhalten häufiger auftreten zu lassen, ist eine schöne Vorstellung und wird gerne praktiziert. Anstatt einen Hund zum Beispiel dafür zu bestrafen wenn er pöbelt, kann man ihm also ein Alternativverhalten beibringen, wie ein Hinschauen zum Hundehalter bei Sichtung eines anderen Hundes.
So positiv das alles klingt – ist ein Training nur über die positive Verstärkung möglich? Nein, das ist es nicht.
Im Training und im Alltag arbeitet und lebt man immer wieder mit Strafen – ob positiv oder negativ. Um dem auf den Grund zu gehen, muss man sich die Definitionen der Strafe wieder in Erinnerung rufen.
Negative Strafe
Man kommt im Training nicht um diese Form der Strafe herum. Schon wenn ein Hund sich hinlegt anstatt sich zu setzen und dafür nicht belohnt wird, ist dies eine negative Strafe. Etwas Angenehmes (Belohnung wie ein Leckerchen) was er eigentlich erwartet, wird dem Hund mit dem Ziel das Verhalten „Platz“ beim Kommando „Sitz“ seltener auftreten zu lassen, entzogen. Diese Form der Verstärkung tritt auch deutlich bei „positiv aufgebauten Abbruchkommandos“ hervor.
Häufig wird dazu geraten, um dem Hund ein „Nein“ zu vermitteln, ihm ein Leckerchen zu zeigen und immer, wenn er dran geht, die Hand zu schließen, damit er nicht ran kommt. Erst wenn er sich zurücknimmt, wird das Leckerchen frei gegeben. Das Schließen der Hand bedeutet hier eindeutig eine negative Strafe.
Schon beim „free shaping“ mit dem Clicker hat man mit diesem Umstand zu tun. Hier wird der Hund sehr kleinschrittig für eigene Lösungsfindungen belohnt – es gibt keine Hilfe vom Halter. Probiert der Hund aber ein Verhalten aus, was er nicht tun soll, bleibt der „Click“ und die damit verbundene Belohnung aus. Dies ist eine negative Strafe, denn in Zukunft wird der Hund dieses Verhalten nicht noch einmal ausführen. Ganz besonders tritt dieses Phänomen zutage, wenn man den Hund vorher für ein gewisses Verhalten immer belohnt hat und das nächste Mal dies nicht mehr tut, damit er wieder etwas ausprobiert.
Leute, die Tricks mit ihren Hunden auf diese Art und Weise einüben, können ein Lied davon singen, wie es ist, die Balance zwischen Belohnung und Bestrafung zu halten, damit der Hund nicht demotiviert wird. Eine negative Strafe wirkt sich schließlich auf den Hund aus. Er empfindet es nicht als angenehm und verweigert im schlimmsten Fall die Zusammenarbeit. Zumal er durch den Frust auch weitere unerwünschte Verhaltensweisen entwickeln kann, die man eigentlich mit der „rein positiven Arbeit“ umgehen wollte.
Positive Strafe
Auch die positive Strafe ist letzten Endes unumgänglich. Man fügt dem Hund immer wieder negativ empfundene Reize zu, derer man sich gar nicht bewusst ist. Ein Hund der an der Leine läuft und noch nicht leinenführig ist, wird beim Auftauchen eines Artgenossen womöglich in die Leine springen. Egal was für ein Geschirr und egal welche Leine man benutzt – es gibt einen deutlichen Ruck. Dieser Ruck ist nicht angenehm. Auch das Zurückhalten am Geschirr (auch wenn dies vorher mit einem Signal positiv aufgebaut wurde) ist eine Maßnahme die positiv straft.
Wer das nicht glaubt, kann sich einen Rucksack aufziehen und jemanden bitten ihn daran festzuhalten. Auch wenn es nicht weh tut – es ist deutlich unangenehm in der Bewegungsfreiheit von hinten derart eingeschränkt zu werden. Dies hat man nicht nur bei der Leinenführigkeit. Auch Trainingsmaßnahmen für „anständiges durch die Tür gehen“, bedienen sich dieser lerntheoretischen Strafe. So heißt es oft, dass ein Hund, der durch die Tür stürmen will, am besten nicht zum Ziel kommt. Das heißt, die Tür wird geschlossen, sobald der Hund vorpreschen möchte. Dies ist natürlich eine positive Strafe und je nach Hund, kann es sogar zu einem „Dötscher“ vor die Nase kommen.
Natürlich wirkt hier auch die negative Strafe, denn dem Hund wird der angenehme Reiz des „raus Gehens“ entzogen. Man sieht damit deutlich, dass sich die Straf- und Verstärkungsarten häufig überschneiden und eine klare Abgrenzung im Alltag oft gar nicht möglich ist.
Bedürfnisorientierte Belohnung
Auch diese wird immer wieder in der „rein positiven“ Arbeit erwähnt. Es geht letzten Endes um das Problem, dass eine intendierte Belohnung keine Verstärkung sein muss.
Als Beispiel: Möchte der Hund jagen gehen und hört auf einen Abruf, dann findet er die vom Besitzer angebotenen Leckerchen nicht besonders interessant. Das ist nicht das, was er jetzt grade will und somit wird diese Belohnung, die das Verhalten verstärken soll, nicht als solche empfunden. Ein „rein Zwingen“ wäre dabei schon eher eine positive Strafe.
Es macht durchaus Sinn den Hund Bedürfnis-orientiert zu belohnen. Anstatt mit Leckerchen zu wedeln, kann zum Beispiel als „Jagdersatz“ einen Futterbeutel fliegen gelassen oder ein Buddeln am Mauseloch als Belohnung genutzt werden.
Was ist eigentlich ein Bedürfnis? Ein Bedürfnis wird allgemein hin als Verlangen empfunden, einen Mangel zu beseitigen. Ein Mangel kann also nicht als positiv empfunden werden. Überall dort, wo Bedürfnis-orientiert belohnt wird, war vorher ein Mangel, den der Hund nicht selbst befriedigen konnte oder durfte.
Lasse ich den Hund in einem tolerierbaren Rahmen jagen (indem er beispielsweise dem Futterbeutel und nicht dem Wild nachrennt), dann klappt dies nur, weil der Hund kein Wild jagen darf und er somit einen Mangel hat.
Bestätigt man einen Blickkontakt mit sozialer Nähe, dann klappt dies nur, weil der Hund vorher einen Mangel hatte. Lässt man den Hund sein Futter draußen erarbeiten, dann nutzt man genau den Mangel an Nahrung um ihn zur Mitarbeit zu bewegen, schließlich ist Futter immer ein besonders starkes Bedürfnis bei Hunden, die ja anscheinend nie wirklich satt werden können. Auch die Arbeit mit Leckerchen setzt genau darauf. Wer das nicht glaubt, kann versuchsweise alles was der Hund gerne frisst, immer herum liegen lassen. Er wird schnell feststellen, dass der Hund dies als Belohnung im Training nicht mehr akzeptiert.
Fazit: Hundeerziehung ohne Strafe ist nicht denkbar
Meine hier gemachten Ausführungen sind mitnichten eine Ablehnung der Arbeit, die vorwiegend über positive Verstärkung läuft. Sie sollen aber aufklären, dass auch Hundehalter und Trainer, die sich damit rühmen „ausschließlich über positive Verstärkung“ zu arbeiten im Irrtum sind. Jegliches Training ist ohne Strafe nicht denkbar. Jegliche Belohnung ist ohne einen Mangelzustand nicht möglich. Dies ist nicht immer angenehm für den Hund. Die heile rosa Welt, die so manch einer konstruiert, existiert nicht.
Es stellt sich somit nicht die Frage ob, sondern wie man straft und wie man dies auf den jeweiligen Hund anpasst. Zumal es fraglich ist, ob ein Trainer, der anscheinend keine Ahnung hat, dass er auch in seinem „rein positiven Training“ straft und Mangelzustände des Hundes nutzt, wirklich weiß, was er mit seiner Art des Trainings bewirken kann und wo mögliche „Stolperfallen“ liegen.
Ich finde es vollkommen legitim, den Wunsch zu haben den Hund möglichst „lieb und nett“ zu behandeln. Es ist vollkommen legitim, dass Hundebesitzer Strafen wie Elektroschocks oder Stachelhalsbänder ablehnen. Völlig indiskutabel ist aber, dass Hundetrainer mit leeren Versprechungen und Worthülsen den Besitzern eine heile Welt vorgaukeln und damit auch noch ordentlich Kasse machen. Ein Trainer der sich damit rühmt von Lerntheorien richtig Ahnung zu haben, sollte sich diesen Implikationen bewusst sein, darüber aufklären und den geeigneten Weg mit den Hundehaltern suchen, der für sie und den Hund passt. Und dies fernab von ideologischem Denken und irgendwelchen verklärten Weltanschauungen.
Autorin: Nina Dany
jeder seriös arbeitende hundetrainer, der gewaltfrei arbeitet, weiß a) um die lerntheorie und b) wird er auch seine kunden darüber aufklären, was strafen im sinne der lerntheorie bedeutet und dass diese im alltag nicht vermeidbar ist. und die, die behaupten, ausschließlich positiv zu arbeiten sind eben nicht seriös, da sie ihr handwerkszeug offensichtlich nicht beherrschen.
aber die ganzen klapperdosen-, sprühflaschen- und wurfdiscschmeißer, alle hau-drauf-, flooding-, ohne konditionierung-sondern-nur-über-kommunikation-und-personality-arbeitenden „trainer“, und alle, die ganz bewusst gewalt einsetzen, um den hund zu massregeln, nun ja, die sind nun wirklich ganz sicher auch nicht als seriös zu erachten, denn die haben die regeln der lerntheorie ganz sicher nicht verstanden, sonst wüssten sie ja auch, wie schwierig es überhaupt ist, richtig zu strafen und wieviele regeln es zu beachten gilt, um auch nur den hauch einer chance auf erfolg zu haben und gleichzeitig die fiesen kleinen nebenwirkungen, die ein gehemmter, geängstigter und eingeschüchtertet hund so mit sich herumschleppt, zu minimieren.
man sollte hier bei diesem schön die lerntheorie wiedergebenden artikel also aufpassen, dass menschen, die sowieso meinen, ein bisschen haue habe noch keinem geschadet, sich hier meinen die rechtfertigung holen zu können, dass eben doch ab und an das rucken an der leine oder das anschreien des hundes in ordnung sei.
es ist durchaus ein unterschied, ob bewusst die leine geruckt wird oder der hund in die leine springt – obwohl beides positive strafe ist!
über positive verstärkung kann ich dem hund beibringen, dass es sich lohnt, nicht in die leine zu springen. dennoch wird es situationen geben, wo die impulskontrolle des hundes versagt und er es eben doch tut – wenn der reiz zu stark ist. dies wird man nie zu 100% vermeiden können – das ist das leben!
also alle, die den text nun freudig nutzen, um sich beim strafen besser zu fühlen, sollten vielleicht nochmal kurz innehalten und sich fragen, ob sie den inhalt wirklich verstanden haben oder nur das herausgelesen haben, was sie ohnehin hören wollten! : )
Danke Willi,
ich möchte noch etwas hinzufügen:
Es ist absolut richtig, dass das Leben und Lernen voller Strafe ist.
Jeder seriöse Hundetrainer weiss das.
Fakt ist aber auch, dass Lernen über positive Verstärker um Längen effektiver ist, als das Lernen über Strafe.
Und es ist über Strafe nicht möglich ein Verhalten anzutrainieren, es ist nur möglich, die Wahrscheinlichkeit eines Auftretens abnehmen zu lassen.
Das ist nun mal die Definition von Strafe.
Worum es geht ist doch eine Entscheidung:
Mache ich mir die Mühe, und lasse mir so viele positive Verstärker einfallen, wie ich kann.
Oder mache ich mir die Mühe, mir Strafen einfallen zu lassen?
Und weiter:
Ein Klick, der nicht kommt, ist evtl. frustrierende bzw negative Strafe.
Darum bauen wir Übungen so kleinschrittig auf, dass der Lernende so viele Klicks wie möglich bekommt.
Wir halten also das Auftreten von Strafe so klein wie möglich und schaffen möglichst viele Gelegenheiten für positive Verstärker.
Das ist eine Kunst und erfordert Kreativität.
Macht aber auch sehr viel Spass und der Hund ist mit Freude dabei.
Danke Willi u. Klein, Ihr sprecht mir aus der Seele. Der Bericht hat mir den ganzen Tag keine Ruhe gelassen. Inhaltlich ist nichts auszusetzten aber so wie er verfaßt ist lädt er wohl doch den einen oder anderen Hundehalter zum „munterdrauflosstafen“ ein.
Und übrigens wie sollen den seriöse Hundetrainer werben? Mit dem Leitsatz: „Bei mir wird positiv Gestraft“ wird sich wohl kaum jemand an Ihn wenden.
Was ist also daran auszusetzten wenn ein kompetenter Trainer mit positiver Motivation wirbt um anschließend seine Schüler je nach deren Möglichkeit induviduell schult und berät.
Positive Verstärkung x soveräne Konsequenz x Fehler Vermeiden
Zwischen der Werbung mit positiven Methoden und der Werbung mit unhaltbaren allgemeingültigen Aussagen liegen doch Welten. Was ist so schlimm daran zu sagen „ich arbeite möglichst/vorwiegend positiv“?
Warum ließ der Artikel dir genau keine Ruhe? Wenn inhaltlich doch nichts auszusetzen ist, ist es doch ok? Warum haben alle gleich solche Panik, wenn man diese Tatsachen ausspricht? Traut man den Menschen derart wenig zu selbst zu denken?
Ich erlebe das immer wieder-da wird die Sau durch das Dorf getrieben weil sie „Rudel“ gesagt hat. Nicht dass sie deswegen ihre Hunde verprügeln würde, nein, aber eventuell könnte es womöglich sein, dass irgendjemand der das liest/hört, dies nun vielleicht als Begründung für irgendwelche alten Dominanzgedöns-Theorien nutzt und dann seinen Hund prügelt. Das ist ein Punkt wo es wirklich schon als paranoid rüberkommt…
Ich möchte nicht, dass Begrifflichkeiten zu Befindlichkeiten werden. Und ich halte es für verblödend den Leuten immer nur eine einseitige Betrachtung zukommen zu lassen. Vielleicht liegt es auch an meinem Menschenverständnis, dass ich nicht alle Leser für dumm halte und meine, ich müsste denen nun sagen wie sie was zu denken haben.
Warum? Das habe ich bereits im Komentar erwähnt. Entschuldige bitte aber, Sätze wie z. B. „und wenn Sie nicht gestorben ist so klickert….“ mutmaßen nicht gerade von neutraler Berichterstattung.
Natürlich hast Du aber Recht und es ist vielen Hundehaltern nicht bewußt wann und wie sie tatsächlich Strafen (egal ob negativ verstärkt oder positiv gestraft). Gerade deshalb wird leider allzu oft ein solches Verhalten von den anderen Hundehaltern leichtfertig kopiert, während Verhalten im Sinne von positiver Verstärkung oftmals von den anderen Kursteilnehmern übersehen wird.
Alleine schon aus diesen Grund ist letzter Weg für mich immer vorzuziehen. Allerdings nicht ohne den Hundebesitzer über das jeweilige Mittel der Wahl genau Aufzuklären.
Danke, Willi.
Genau so!
Hallo „Willi“ – habe den Kommentar gelesen und sehe es ganz genau so – ein großes Lob an`s Frauchen…;-) Staune jedesmal wie du ganz präzise die Sachen auf den Punkt bringst. LG
Es geht in meinem Artikel nicht um eine Wertung was nun besser ist. Ich möchte dass sich die Leute selbst Gedanken machen und auch selbst entscheiden welchen Weg sie gehen möchten.
Was mir stinkt, sind unseriöse Hundetrainer die sich „ausschließlich positiv arbeitend“ auf die Fahne schreiben und damit völlig falsche Tatbestände suggerieren. Das sind meiner Erfahrung nach auch keine Trainer die wirklich helfen können. Unseriöse Trainer gibt es auch auf der anderen Seite. Um die geht es aber in diesem Artikel nicht.
Und zur Personality: Natürlich braucht man auch Persönlichkeit in der Erziehung! Das Erzieher-Zögling-Verhältnis ist ausreichend in der Literatur beschrieben und auch Studien zeigen, dass die Persönlichkeit des Hundehalters einen großen Effekt auf den Hund hat. Mir sind wirklich die Leute lieber, die sicher und selbstbewusst durch das Leben gehen, als diejenigen die unsicher sind und den Hund einfach mit Leckerchen vollstopfen, weil sie überhaupt nicht mehr weiter wissen. Ich möchte solche Leute nicht noch weiter verunsichern. Die sollen sich Gedanken machen und zu sich selbst finden. Es liegt mir fern Wege aufzudiktieren.
Und wo wir bei den möglichen Nebenwirkungen von Strafe sind, vor denen ja alle Angst haben: Was ist mit den Nebenwirkungen von der positiven Verstärkung? Die gibt es auch und sind nicht immer gewünscht. Ganz zu schweigen von den möglichen Nebenwirkungen bei der negativen Strafe-ich zumindest habe schon Hunde meiden gesehen, als sie geklickert wurden. Klar wurde das dann falsch gemacht, aber das sollte man so auch kommunizieren. Ein „ist egal wie du verstärkst-das ist immer gut“ ist schlicht und ergreifend gelogen. Und da wären wir auch wieder bei den unsicheren Hundehaltern…
Du hast Recht-wer meinen Artikel dazu nutzt, zu sagen „ein bisschen Haue“ hat noch keinem geschadet, der hat den wirklich nicht verstanden. Wer glaubt dass mein Artikel aussagt, dass die vorwiegend positive Verstärkung blöd ist, ebenfalls nicht. Wer sich darüber Gedanken macht, sich selbst hinterfragt und sich auch mal bewusst macht wo er überall straft, der hat den Artikel gut verstanden. Was er daraus für sich zieht, ist seine Sache.
Das Rucken an er Leine IST in Ordnung. Es kommt darauf an, wie stark man ruckt. Ich nehme mit dem Ruck, den ich mit zwei Fingern ausübe, direkt Kontakt mit dem Gehirn des Hundes auf. Ich will ihm nicht das Genick brechen, sondern seinen Geist daran erinnern, dass ich auch noch existiere. Das geht am besten, wenn ich seitlichen und sanften Druck auf seinen Hals ausübe.
Runterbeugen, anfassen oder andere Faxen fallen bei mir leider aus, da ich immer mit mehreren Hunden unterwegs bin.
Danke Willi, auf Dich ist Verlass:-)
Mich stört im Artikel noch eine weitere „Kleinigkeit“, die man so nicht stehen lassen darf.
„Ebenfalls abgelehnt wird dabei aber auch die negative Verstärkung. Hier wird durch die Wegnahme eines unangenehmen Reizes ein Verhalten verstärkt. Dies ist problematisch, da man vorher einen unangenehmen Reiz hinzufügen muss um diesen anschließend wegnehmen zu können. Im Klartext bedeutet dies, dass dieser Effekt in Verbindung mit der positiven Strafe auftritt, die ja abgelehnt wird. Bleibt nur Eines: Die positive Verstärkung bei der etwas Angenehmes hinzugefügt wird, damit ein Verhalten häufiger auftritt.“
Es ist zum einen nicht wahr, dass Hundetrainer die über positive Verstärkung arbeiten, die negative Verstärkung ablehnen und es ist ebenso falsch, dass man zuerst etwas Negatives hinzufügen muss, damit man es wieder wegnehmen kann!
Es gibt so viele Situationen, die unseren Hunden unangenehm sind und das Verhalten darum negativ beeinflussen können. Situationen, wo wir als Menschen helfen können. Zerrt unser Hund z.B. an der Leine, weil er auf seinen Erzfeind trifft, der ihm Angst macht und ihn stresst, kann man mit ihm einen Bogen laufen bzw. die Distanz vergrössern (das Unangenehme wird „entfernt“ oder zumindest in die Ferne gerückt, sodass das erwünschte Verhalten (der Hund läuft entspannter an der Leine) belohnt und somit verstärkt werden kann.
LG
Miriam
Hallo Miriam,
vielen Dank für den „Zwischenruf“. Das hatte ich tatsächlich nicht bedacht. Bei Hundebegegnungen wird natürlich auch mit der negativen Verstärkung gearbeitet. Ist für mich eher ein Spezialfall (vielleicht rührt daher der Fehler), da diese Situationen auf sehr wenige Ereignisse begrenzt sind und kommt schon da ins Wanken, wo der Hund eigentlich keine Distanzvergrößerung wünscht. Trotzdem hast du mit deinem Kommentar natürlich Recht. Danke für diese sachliche und konstruktive Kritik. :)
LG Nina
Liebe Miriam,
danke daß du der negativen Verstärkung eine Lanze brichst.
Die Bedeutung dessen zu erkennen, setzt voraus, daß wir erkennen und uns damit auseinandersetzen warum unser Hund mit unerwünschten Verhaltensweisen in einer bestimmten Situation reagiert. Sinnvolles Alternativverhalten berücksichtigt dies und zeigt dem Hund einen Weg auf, dem Unangenehmen zu entgehen.ZB Bogenlaufen oder Seitenwechsel statt loszuböllern; einen Fingertouch zu machen statt weiter das Gegenüber anzustarren etc.
Der Artikel ist super und regt ganz toll zum Nachdenken an, ohne alles vorzukauen, wie man es auf anderen Seiten zur positiven Hundeerziehung kennt. Ich finde es wichtig, darüber nachzudenken, dass man den Hund eben auch straft, wenn er mit einer Belohnung rechnet und diese dann nicht kommt. Belohne ich meinen Hund immer für alles richtige, könnte es je nach Charakter des Hundes fatale Auswirkungen haben, wenn meine Aufmerksamkeit mal nicht zu 100% bei ihm ist. Natürlich könnte ich sagen, dass ich nur noch mit meinem Hund rausgehe, wenn ich super Laune hab und nix und niemand da ist, wodurch ich abgelenkt werden könnte, aber das wäre dann ein Stück soziale Isolation und gegen die Natur des Menschen.
Ich finde es schön, dass Ninas Artikel die Hundeerziehung ein bisschen mehr zurück zur Natur bringen, ohne dabei auf theoretisches Hintergrundwissen zu verzichten.
Bauchgefühl + Theorie + evtl. professionelle Hilfe = erfolgversprechende Hundeerziehung
Weiter so, Nina! Ich freue mich schon auf deinen nächsten Artikel!! ;-)
Hallo,
Was den eigentlichen Inhalt des Posts angeht, schließe ich mich den oberen Schreibern an…
Ergänzen möchte ich noch zu:
Meiner Meinung nach ist das nicht genau/detailliert genug wiedergegeben und entspricht daher nach meiner Empfindung nicht ganz den Tatsachen…
Wenn wir das an einem Beispiel aus der Menschenwelt spiegeln, bedeutet dass, wenn ich ein Bedürfnis nach Nahrung verspüre, habe ich ein Gefühl Hunger und oder Durst. Das Gefühl ist wichtig für mich, damit ich mein Bedürfnis überhaupt wahrnehmen kann und den Drang habe es zu stillen.
In der Küche sehe ich ein Steak und einen Salat. Beides ist dazu geeignet mein Bedürfnis zu befriedigen und mein Hungerfühl zu besänftigen. Wenn ich weiß, dass mein bester Freund Vegetarier ist, entscheide ICH mich für das Steak….
Ich esse das Steak nicht, weil ich schon lange keinen Salat mehr haben durfte und mich an den Geschmack nicht mehr erinnern kann!
Ich entscheide mich, genau wie der Hund für Kooperation!
Perfekt trainiertes Antijagdtraining (also Hund unangeleint) bietet dem Hund jederzeit seinem Hobby jagen nachzugehen – aber er möchte kooperieren und tut es auch!
Versuch das mal ohne (hauptsächlich) positiv aufgebautes Training!
Hallo Anita,
ich empfinde den Vergleich den du anführst zu menschlich gedacht. Es geht von einem gewissen Altruismus aus der auch den Hunden unterstellt wird. Diese Ansicht teile ich nicht. Hunde sind meines Erachtens nach in erster Linie simple Opportunisten. Sie tun das, was sich lohnt und unterlassen das, was sich nicht lohnt. Natürlich leben sie mit uns in einem sozialen Verbund und eine gewisse Kooperation ist dahin gehend natürlich möglich (je nach Veranlagung des Hundes, so kann ich auf die Kooperation meiner Husky-Mix-Dame lange warten, wogegen die Border sehr gerne kooperierend jagen-liegt halt in den Genen).
Gehen wir zurück zu deinem Beispiel: Würde ich meinen Hunden ein Steak und einen Salat vorsetzen, würden sie sich für das Steak entscheiden-denen ist doch völlig egal wie ich mich dabei fühle. Und wenn man vom Menschen da schon ausgeht, wird wieder ein Schuh draus. Warum entscheide ich mich denn für das Steak und nicht für den Salat? Weil ich irgendwann in meiner Entwicklung gelernt habe, dass ich bei solchen pro-sozialen Verhaltensweisen Vorteile erfahre und bei egoistischem Handeln ich negative Konsequenzen erfahre. Wenn ich keine Rücksicht auf die Bedürfnisse nehme meiner Freundin, wird sie sauer auf mich sein. Das will ich nicht, also entscheide ich mich für das kleinere Übel.
By the way und mal etwas über den Tellerrand geschaut: Natürlich ist eine kooperative Jagd auch ohne hauptsächlich positiv aufgebautes Training möglich (und ich gehe hier von dem Bild aus, was man bei diesem Schlagwort im Kopf hat). Hüten ist eine kooperative Jagd-ich nutze die Fähigkeiten meines Hundes und bringe ihm bei, dass er auf meine Kommandos vertrauen kann, weil er dann das Gewünschte erreicht. Das geht über Z&B, Markern, Geschirrgriff und was es sonst noch so auf reiner Konditionierungsebene gibt, weit hinaus. Da geht es um Fähigkeiten des Hundes die man nutzt, Anlagen die man fördert, Mut den man dem Hund macht und vieles mehr. Das hat mit Clickern und Co rein gar nichts am Hut.
Ich bin allerdings momentan am Überlegen wie du überhaupt zu deinem Kommentar gekommen bist. Es steht der Bedürfnis-orientierten Belohnung doch nichts im Wege. Man sollte halt im Hinterkopf behalten, dass der Hund nicht aus reiner Nächstenliebe Dinge unterlässt oder ausführt. Ich kann als Mensch da viel steuern und gestalten. Auch wenn ich viel positiv mache, heißt es nicht, dass der Hund dies als rosa erlebt.
Liebe Leser, liebe Nina
Gleich vorweg, danke für diesen Artikel Nina, ich finde du hast es auf den Punkt gebracht.
Mit grosser Sorge verfolge ich seit Jahren die Entwicklung in der Hundeerziehung und bin gegen Gewalt genau so abgeneigt wie gegen antiautoritäre Erziehung.
Es ist mir auch ein Rätsel, wie angeblich bekannte Forscher und Biologen nun plötzlich die Natur in Frage stellen und auf eine Erziehungsmethode kommen, die bei Kindern bereits nicht funktioniert hat.
Fakt ist, dass Menschen, die der neuen Methode zugetan sind, nur schwarz oder weiss sehen, es gibt nur noch Prügler und Beherrscher oder Kuschler und Ignorierer! Dazwischen gibt es nichts mehr.
Ich persönlich führe zwei, meine Frau 3 Hunde und sehe die Erziehung eines Hundes ähnlich wie die Erziehung von Kindern.
Kinder brauchen Sicherheit und Schutz, sie müssen geführt werden und lernen, was gut und was schlecht ist, Stress und unangenehme Situationen sind notwendig um zu lernen. gehe ich als Erwachsener oder bezogen auf den Hund als Hundeführer mit der notwendigen Sicherheit voran, lernt der Hund oder das Kind, dass eine Situation problemlos zu meistern ist.
In der Modernen Hundeerziehung wird leider auf das Element der Sicherheit scheinbar kein Wert mehr gelegt, man ist selbst überfordert und nimmt Hunde möglichst aus jeder Stresssituation heraus, Fazit: der Hund lernt, wenn es brenzlig wird, dann mach lieber einen Bogen um alles, mein Mensch macht es ja vor.
Fehlverhalten zu bestrafen heisst nicht, seinen Hund zu prügeln oder zu misshandeln, jedoch heisst es ihm zu vermitteln, dass ich damit nicht einverstanden bin. Da mein Hund eh meine Emotionen mitbekommt, merkt er sofort, wenn ich mit etwas nicht zufrieden bin.
Gehen wir mal zurück in die Aufzucht und beobachten eine Hündin bei der Aufzucht, dann sieht man genau, dass eine Hündin nicht diskutiert oder ignoriert, sie handelt und das ist nicht immer schön anzusehen! Ja meine Damen und Herren, es ist die Natur!
Zu dem ganzen kommt das, was ich immer wieder in Hundeschulen vermisse, man nimmt Schema XY für jeden Hund und Halter, egal ob der Halter das gelernte überhaupt umsetzen kann oder nicht, dazu kommt, ein Deutscher Schäferhund ist keine Bulldoge und nicht jeder verhält sich innerhalb seiner Rasse gleich.
Ebenfalls sind nicht alle Menschen in ihren Fähigkeiten gleich, sprich, es bringt mir nichts einem Menschen der das Timing beim klickern nicht beherrscht oder es ihm keinen Spass macht, darauf zu beharren dass er klickert.
Fakt ist, dass es bei jeder Erziehungsart ganz klar auf die Fähigkeiten des Menschen darauf an kommt, kann ich ihm eine geeignete Methode vermitteln, die zu ihm und seinem Hund passt erziele ich die besten Resultate.
zu guter letzt möchte ich noch etwas loswerden, ich kennen nun einige Hundehalter, die sich zuerst der neunen Erziehungsmethode gewidmet haben, zwischenzeitlich aber wieder davon weg gekommen sind, die eindeutige Aussage dabei ist: “ Es hat mir und meinem Hund nichts gebracht, weil mein Hund dabei nichts gelernt hat und sein Verhalten nicht geändert hat“.
Ebenfalls kenne ich Menschen, die in der Hundeschule kein böses Wort beim Training verlieren, weil man es ja nicht darf, kaum sind sie weg vom Hundeplatz, wird dann doch geschimpft und auch mal an der Leine geruckt! Ein Beweis für mich, dass es eben doch nicht so funktioniert.
Für mich gibt es nur eine Methode, Sicherheit vermitteln, meinem Hund die Aufgabe abnehmen, mich führen zu wollen, gesunder Menschenverstand, Konsequenz und Bewegung , dann klappt das ganze von alleine.
Gurus gibts in der Hundewelt mehr als genug, jedoch kann sich auch ein Guru irren oder sich ändern ;-)
Mit Hunden kenne ich mich nicht aus. Aber mit Kindern und Pädagogik um so besser. Nein, Strafe muss/soll überhaupt nicht sein. Sicherheit wird garantiert nicht mit strafen vermittelt.
Und Lob sollte auch viel sparsamer eingesetzt werden, als üblich.
Der autoritäre Erziehungsstil (und nichts anderes sind Strafen) ist sehr veraltet und stellt eine Fehlform der Erziehung dar.
Nur so am Rande.
Was für ein Quatsch! Sie kennen sich anscheinend absolut gar nicht mit Kindern und Pädagogik aus, oder sofern es Ihr Job ist(wie ich von dem Kommentar annehme, was ich aber nicht hoffe) machen Sie alles falsch was man falsch machen kann!
Wegen Menschen wie Ihnen haben wir heute solche „Tyrannengenerationen“ herangezogen! Egoistische, beziehungsunfähige Individuen, die keine Ahnung haben wie man sich in einem sozialen Gefüge verhält.
Der von Ihnen genannte autoritäre Erziehungsstil entspricht unserer menschlichen Natur! Es ist nichts was der Mensch erfunden hätte. vielmehr etwas was sich über Jahrtausende manifestiert hat. Und das zurecht!
Und von Menschen wie Ihnen wird eine Jahrtausend alte Errungenschaft innerhalb eines Jahrhunderts vernichtet..
Arme Welt :-(
Hm der letzte Absatz, den könnte man umformulieren. Ist ist legitim Elektroschocks und Stachelhalsbänder abzulehnen, aber indiskutabel Worthülsen zu benutzen.
Aehm.. seltsame Prioritäten die mir einen bitteren Nachgeschmack auf den ganzen Artikel hinterlassen.
Ansonsten klar, es geht nicht ohne. Wenn mein Hund (so wie gestern) Leckerlis vom Tisch klaut und dafür dann in eine Ecke auf „Platz“ geschickt wird, ist das eine Strafe.
Dennoch ist es Wort klauben, denn unter Strafe verstehen viele schließlich immer noch ein Ruck an der Leine, ein „kleiner Schnalzer“ mit der Leine oder ähnliches. Jetzt wo gerade gaaaaanz langsam in Richtung Erziehung statt Abrichten gegangen wird, find ich es nicht produktiv, sich in Wortklaubereien zu betätigen, selbst dann nicht, wenn die Wortklaubereien natürlich nicht ganz falsch sind. Bei den richtigen Menschen bleiben nur die Worte „geht nicht ohne Strafe“ hängen.
Hallo unbekannte Nina, vielen Dank für Deine präzise und überzeugend ausformulierten Gedanken. Sie sprechen mir in vielem aus der Seele!
Erlaube, dass ich zu Deinen Gedanken ein paar von mir hinzufüge – und Dir am Schluss eine Frage stelle…:
Ich bin schon etwas länger „im Geschäft“ (seit Mitte der 1980er Jahre) – daher kann ich mich auch noch gut an eine beliebte Masche der Hundeschul-Szene aus dieser Zeit erinnern, und die hieß: „Hundeerziehung ohne Strafen“. Jetzt neu. Aha.
„Wie machst du das – nur mit Lob und Lecker – das geht doch gar nicht… ? Du kannst doch deine Kunden nicht so belügen, die merken das doch irgendwann mal…? “ die Frage der blauäugigen Anfängerin an die altgedienten Profis.
(Erklärung für die jüngeren Leser: damals war Fremdausbildung ohne Halterbeteiligung oder auch nur -Anwesenheit die Regel, Frauen gab es auf dem Sektor ganz wenige, und als Selbständige gleich gar nicht).
Darauf der Profi: „tja, weißt du, das ist ja so: um eine „Strafe“ per Definition als solche zu empfinden, müsste der Hund ja einen Moralbegriff haben, und den hat er nicht. Also ist das, was ich tue, eben nicht „strafen“, sondern „negative Einwirkung setzen“ – und ich habe nicht gelogen!“
Viele Hundehalter haben’s gern gefressen, und nicht weiter nachgefragt…
Ich fand das damals schon widderlich (und wusste nicht, was ich widderlicher finden sollte, die perfide Bauernschläue der Ausbilder oder die biedere Dummheit der Hundebesitzer, sich so einen Mist aufschwätzen zu lassen ohne mal das eigene Hirn einzuschalten…)
Hatte ich damals Interessenten am Telefon, die mich fragten, ob ich denn auch „Hundeerziehung ohne Strafen“ anbieten würde, habe ich das verneint, natürlich, mit dem Hinweis, dass ich leider noch nicht zaubern kann.
Ich mochte schon damals niemanden für dumm verkaufen, selbst wenn ich drum angebettelt wurde.
Viele dieser Ausbilder waren fachlich übrigens keineswegs schlecht oder den Hunden gegenüber sadistisch veranlagt. Es waren andere Zeiten. Es wurde viel mit sehr schwarz und sehr weiß gearbeitet, klar, pragmatisch, natürlich viel härter als man es heute tun oder für gut heißen würde, aber zum Teil (!) emotional auch viel stressärmer (als heute) für den beteiligten Vierbeiner, weil der sich die gewünschte Leistung nicht mühsam aus 1000 unsortierten Brocken herausklamüsern musste, sondern klare Anweisungen und verlässliche Richtlinien bekam. Für die aller-allermeisten Hunde ganz enorm entlastend.
Zum Glück entwickelt sich die Hunde- und Menschenpädagogik ständig weiter, und man kann, um Hunden klare Anweisungen und Richtlinien zu vermitteln, viel filigraner und tierfreundlicher arbeiten als früher.
Aber den faszinierenden, vielseitigen, Ausdrucks- und empfindungsreichen Sozialpartner (und für mich auch Arbeitskollegen) „Hund“, mitsamt all seinen Anlagen und Fähigkeiten, ausbilderisch ausschließlich auf das geistig-seelische Niveau eines debilen Labormeerschweinchens reduziert zu sehen widerstrebt mir mindestens so sehr wie es mir widerstrebt, ausbilderischen Gewaltaktionen beizuwohnen.
Ich finde, der Hund, der unser Leben seit mehreren 10.000 Jahren teilt und bereichert, hat ein Recht darauf, als ganzes Wesen und mit seiner ganzen emotionalen Skala ernst genommen und respektiert zu werden, nicht nur mit den Anteilen, die mir in meinen momentanen ideologischen Kram passen. Er hat ein Recht auf meine Klarheit, auf meine Führung, auf meine Loyalität gegenüber ihm als Hund, nicht als mein persönliches, beliebig formbares Spielzeug.
Er hat das Recht auf die reiche und vollständige, psychologisch wie physiologisch angemessene Erfahrungswelt mit positiven und negativen Anteilen, für die wir alle geschaffen sind, Menschen wie Hunde. Das Wachsen an Positivem und Negativem ist es, was einen Charakter formt, nicht das laissez-faire eines „das ganze Leben ist ein Streichelzoo“. Allerdings habe ich auch keine Scheu vor Charakter-Hunden. Ganz im Gegenteil.
Und mein Hund hat nicht zuletzt das Recht auf mich als ganzes und authentisches Gegenüber, nicht nur als Schönwetter-Gesicht.
Jetzt ist das Ganze doch ausführlicher geworden – das ist aber ein Thema, was mich zurzeit sehr beschäftigt.
Und hier kommt die Frage: Du hast in einem Beitrag (ich weiß nicht mehr genau, in welchem) von einer Studie zur Verarbeitung verschiedener Abbrichsignale geschrieben. Da hätte ich irrsinnig gern die Quelle dazu.
Ich grüße aus der Nachtschicht (DH Matze grüßt nicht, der schläft…)
Hab die Quelle schon gefunden – klar, Tante Google weiß doch alles…
Weiter so, Nina, mit offenen Augen, offenem Herzen und spitzer Feder
Mir ist aufgefallen, dass sich Hundeschulen und Trainer oftmals immer im Bereich des extremen bewegen. Entweder nur positiv oder negativ. Jeder preist seine Erziehungsmethode als die einzig wahre an.
Dabei wird oftmals vergessen, wer eigentlich im Mittelpunkt steht. Das ist der Hund, ein Lebewesen. Der Humd unterscheidet sich in seinem Verhalten jedoch stark vom Menschen. Auch das wird vergessen oder verdrängt.
Die Kommunikation unter Hunden verläuft jedoch völlig unterschiedlich im Vergleich mit der unter Menschen. Erst derjenige, der die Kommunikation des Hundes versteht, der wird auch mit der Erziehung langfristigen und nachhaltigen Erfolg haben.
Allein wenn man eine Hundeschule sucht sind die Herangehensweisen dieser total unterschiedlich. Wie soll „Normalo“ wissen, welche Methode die beste ist und am besten greift? Hier ist leider noch viel Aufklärung nötig.
hallo nina. ein super beitrag.. ganz meine meinung.. leider hab ich noch nie jemaden gefunden der mir zeigen kann wie man mit einem stück wurst oder einem klicker einem hund in angemesserner zeit das jagen abgewöhnen kann….
Sehr geehrter Herr Seiler,
das ist in der Tat sehr schade, denn es gibt sehr gute Bücher und Trainer auf diesem Gebiet.
Man kann einem Beutegreifer das Jagen übrigens nur über aversive Methoden „abgewöhnen“ sprich es unterdrücken, und die sind dann tierschutzrelevant. Das Jagen ist im Hund gentetisch verankert und je nach Rasse auch noch vom Menschen herausgearbeitet worden. Wenn Sie also ein Tier wollen, das nicht jagt, empfehle ich ein anderes Haustier. :-)
Man kann aber sehr gut über positive Methoden und ohne Gewalt den Hund umlenken der alternativ auslasten. Ich empfehle das Buch: „Antijagdtraining“ von Pia Gröning, wer es noch kooperativer mag, auch gerne die Bücher von Ulli Reichmann.
Ganz großartig :-)
Liebe Nina, du nennst hier viele wissenschaftliche Fachbegriffe. Es ist immer gut, sich über Lerntheorie zu unterhalten, dazu gehören aber auch Quellen, sonst ist es nichts anderes als eine persönliche Meinungsäusserung. Zum Beispiel beim Free Shaping würde es mich sehr interessieren, welche Definition du hier nutzt.
„Er hat ein Recht auf meine Klarheit, auf meine Führung, auf meine Loyalität gegenüber ihm als Hund, nicht als mein persönliches, beliebig formbares Spielzeug. Er hat das Recht auf die reiche und vollständige, psychologisch wie physiologisch angemessene Erfahrungswelt mit positiven und negativen Anteilen, für die wir alle geschaffen sind, Menschen wie Hunde. Und mein Hund hat nicht zuletzt das Recht auf mich als ganzes und authentisches Gegenüber, nicht nur als Schönwetter-Gesicht.“
– Danke, das rahme ich mir ein als Motto für den Welpen, der unser Leben bald begleiten wird. So habe ich es aber eigentlich schon mal fast 16 Jahre lang mit meinen beiden Golden-Retriever-Hündinnen (aus demselben Wurf) erlebt – ich vermisse sie schrecklich, es war einfach wunderbar mit ihnen. Und ich habe viel von ihnen gelernt: wie ich mich klarer verhalte, deutlicher und motivierender ausdrücke, wie sich Lebensfreude zeigen kann… – Ich habe so viel von ihnen bekommen und ich bereue vor allem eines: dass ich nicht noch genauer beobachtet habe, was sie mir zeigen wollten. Einige Überforderungen und schwierige Momente hätte ich uns ersparen können, wenn ich genauer auf ihr Verhalten geachtet und nicht einfach nur Gehorsam eingefordert hätte.
„Man kommt im Training nicht um diese Form der Strafe herum. Schon wenn ein Hund sich hinlegt anstatt sich zu setzen und dafür nicht belohnt wird, ist dies eine negative Strafe.“
Oh je, da geht ja einiges durcheinander! Negative Bestrafung ist entziehende Bestrafung. Heißt: man nimmt dem Hund z.B. Futter weg, welches er gerade fressen wollte. Die Behauptung, dass ein Hund es immer als Strafe empfindet, nicht belohnt zu werden, stimmt so pauschal nicht. Das erwünschte Verhalten des Hundes wird im Training langsam so aufgebaut, dass er nicht bei *jeder* Ausführung eines Kommandos eine Belohnung braucht. Zunächst baut man ein Verhalten auf, indem man jede Annäherung an das gewünschte Zielverhalten positiv verstärkt. Nach und nach geht man dazu über, unregelmäßig zu belohnen, sodass der Hund ständig die positive Erwartungshaltung hat, belohnt zu werden. Dass dies die Motivation ungemein steigert, sieht man z.B. an Spielsüchtigen. Diese wissen genau, dass die Chancen, am Automaten, beim Lotto oder sonst wo zu gewinnen, gegen Null gehen und trotzdem geben sie immer wieder ihr Geld dafür aus, weil der Automat ja ab und zu auch mal ein paar Euro ausgespuckt hat. Daran sieht man also: bestraft zu werden und unregelmäßig belohnt zu werden, sind zwei ganz verschiedene Paar Schuhe!
„Hier wird der Hund sehr kleinschrittig für eigene Lösungsfindungen belohnt – es gibt keine Hilfe vom Halter. Probiert der Hund aber ein Verhalten aus, was er nicht tun soll, bleibt der „Click“ und die damit verbundene Belohnung aus. Dies ist eine negative Strafe, denn in Zukunft wird der Hund dieses Verhalten nicht noch einmal ausführen.“
Siehe oben. Das Lebewesen lernt durch Trial and Error, das heißt durch Ausprobieren und Fehlschlagen, ob ein Verhalten zielführend ist oder nicht. So wollte man im 2. Weltkrieg auch Tauben beibringen, Fliegerbomben abzuschmeißen. Die Taube hat eine Zielscheibe vor den Schnabel bekommen und hat durch Trial and Error herausfinden müssen, dass sie diese zunächst einmal anpicken soll. Dafür wurde sie belohnt. Irgendwann wurde sie dann, nachdem sie geschnallt hat, dass es das Futter gibt, wenn sie mit dem Schnabel auf die Zielscheibe pickt, Schritt für Schritt so belohnt, dass sie lernte, in die Mitte von dieser Scheibe zu picken. Durch Ausprobieren und Fehlschlagen lernt das Tier also eine immer genauere Vorstellung davon, was zu tun ist, um eine Belohnung zu bekommen. Außerdem wissen Menschen, die sich wissenschaftlich mit Lerntheorien auseinandergesetzt haben, dass es immer mal wieder zu sog. Spontanerholungen kommen kann, das heißt, es kann immer mal sein, dass das Tier einen eigentlich bereits aufgebauten Befehl vergisst. Niemand erwartet deshalb, dass ein Tier eine einmal gelernte Sache immer zu 100% ausführt. Andererseits braucht das Tier auch keine kontinuierlichen Belohnungen, um ein Verhalten positiv zu verknüpfen. Wie gesagt: das Ausbleiben einer Belohnung ist keine Bestrafung.
„Ein Hund der an der Leine läuft und noch nicht leinenführig ist, wird beim Auftauchen eines Artgenossen womöglich in die Leine springen. Egal was für ein Geschirr und egal welche Leine man benutzt – es gibt einen deutlichen Ruck. Dieser Ruck ist nicht angenehm. Auch das Zurückhalten am Geschirr (auch wenn dies vorher mit einem Signal positiv aufgebaut wurde) ist eine Maßnahme die positiv straft.“
Das von dir genannte Beispiel ist schlecht gewählt. Es macht einen großen Unterschied, ob der Hund vom Besitzer/von der Besitzerin zur Bestrafung für unerwünschtes Verhalten ruckartig nach hinten gezogen wird oder ob der Hund lernt, dass er an der Leine nicht in den Sprint gehen kann. Beide Szenarien sind zwar Verhalten-Reaktion-Lernmechanismen, allerdings kann man letzteres nicht vermeiden, wobei ersteres durchaus vermeidbar wäre und aus pädagogischer Sicht mehr als zweifelhaft. Man kann nicht verhindern, dass das Tier gewisse Schmerzreize in seinem Leben erfährt. Es macht aber nochmal einen großen Unterschied, wenn die Besitzer Schmerzen aktiv und regelmäßig als Erziehungsmethode einsetzen. Als Daumenregel gilt: Ein Lebewesen körperlich zu bestrafen, erschafft nur Angst vor dem/der Strafenden. Körperliche Strafen wirken somit negativ auf das Vertrauensverhältnis der Erziehungsperson und des Lernenden. Strafen zeigen ihm, was es nicht tun soll, allerdings nicht, was es tun soll.
„Bestätigt man einen Blickkontakt mit sozialer Nähe, dann klappt dies nur, weil der Hund vorher einen Mangel hatte.“
Du implizierst hier, dass beim gewaltfreien Training ein Mangel an irgendetwas hergestellt wird, um das Lebewesen belohnen zu können. Positive Verstärkung kann alles sein, was das Lebewesen belohnt. Das kann alles sein, was ein primäres Bedürfnis befriedigt (wie z.B. Hunger, Fortpflanzung etc.) oder sekundäre Bedürfnisse (z.B. Anerkennung, Interaktion, etc.). Da Hunde Rudeltiere sind, haben sie ständig das Bedürfnis, sich der Nähe ihrer Rudelmitglieder zu versichern. Das heißt in deinem Beispiel nicht, dass man dem Hund zuvor Nähe entzieht, sondern nur, dass dem Hund, der sich zunächst nach außen orientiert, plötzlich wieder einfällt, dass er auch auf sein Rudel achten muss. Diese Orientierung am Menschen wird positiv verstärkt.
Ich hoffe, die Sache ist jetzt ein wenig klarer geworden
LG
Dankeschön für den ausführlichen Artikel, sehr lesenswert und interessant! :-)
Liebe Grüße Andrea
Vielen Dank für den wirklich tollen Artikel.
Gerade in Social Media wird immer mehr mit „rein positivem Training“ geworben. Und widerspricht man diesem Werbeslogan, wird man als harter Hundetrainer abgestempelt, der nur mit rein positiver Strafe arbeitet.
Die rosa Welt im Hundetraining.