Im ersten Teil der Serie über Leinenpöbler und Leinenhexen bin ich auf die Ursachen des aggressiven Verhaltens an der Leine von Hunden gegenüber Artgenossen eingegangen und wir wissen nun auch was sich in einem Hund in solchen Situationen körperlich abspielt. Im zweiten Teil werde ich einige Lösungsansätze und Trainingsmethoden beschreiben. Wichtig ist es, dabei zu beachten, dass jedes Hund-Halter-Gespann individuell ist. Dementsprechend individuell können auch die Herangehensweisen sein. Meine Ratschläge sind alle kein Allheilmittel und aufgrund der großen Fülle an Trainingsmöglichkeiten, werde ich mich nur auf einige wenige beschränken.
Inhalt
Trainingsmethoden zur Problemlösung
Gehen wir noch einmal zu der konkreten Situation. Auf dem Hintergrund den wir nun wissen, können wir entsprechend reagieren. Es ist nun klar, dass der Hund die Erfahrung des erfolgreichen Pöbelns nicht mehr machen darf, da das Verhalten dann auch immer häufiger gezeigt wird. Bloßes Umgehen der Situation hilft jedoch genauso wenig! Um der Situation Herr zu werden, kann man zuerst einen Abstand zu dem anderen Hund wählen, der so groß ist, dass der eigene Hund diesen bemerkt, aber noch nicht in den Zustand des „nicht mehr Ansprechbaren“ fällt.
Von hier aus hat man nun verschiedene Möglichkeiten:
Leckerchen zum Schönfüttern
Eine sehr einfache Variante ist das „Schönfüttern“. Wichtig hierbei ist, dass der eigene Hund den Anderen auch wirklich bemerkt! Sieht er den anderen Hund, bekommt er sofort Leckerchen / Fressen und dies die ganze Situation durch. Viele neigen dazu den Hund nach der Situation zu loben. Dies ist aber grundsätzlich falsch.
Stattdessen ist es wichtig, den Hund während der Situation zu loben. Ist der andere Hund vorbei gegangen, muss man das Füttern sofort einstellen. Der Hund soll schließlich hierbei lernen, dass Hundebegegnungen etwas ganz Tolles sind und nicht, dass es etwas ganz Tolles ist, wenn der andere Hund weg ist. Wenn dies zuverlässig klappt, kann man allmählich den Abstand verringern und schließlich das Füttern immer mehr abbauen. Wurde der Hund am Anfang noch die ganze Situation durch gefüttert, wird er dies nur noch, wenn der Hund bereits relativ nah ist, dann nur noch, wenn der Hund grade an einem vorbei läuft usw.
Kauen wirkt beruhigend
Generell lässt sich sagen, dass Kauen bei Hunden beruhigend wirkt. Dabei werden Stresshormone abgebaut und der Hund hat eine Möglichkeit seinen Frust anderweitig auszulassen. Bei Hundebegegnungen lassen sich solche Leckereien, wie Trockenfutter oder eine harte Kaustange, die in der Hand gehalten wird besonders gut einsetzen, während der Hund versucht diese abzukauen. Hunde, die gerne Spielzeuge tragen, können ein weiches Spieli zum Tragen bekommen. Auf diesem können sie dann herum kauen oder es wütend hin und her schleudern. Besonders bewährt haben sich auch Futtertuben, die mit Leberwurst, Nassfutter, Quark und ähnlichem gefüllt werden können. An diesen darf der Hund bei Sichtung eines Hundes nach Herzenslust herum nuckeln.
Die Richtung wechseln
Eine andere Möglichkeit wäre, Richtungswechsel vorzunehmen, wenn der eigene Hund anfängt zu fixieren. Hierbei sollte man unbedingt beachten, dass der Hund ein weiches breites Halsband oder ein Geschirr trägt. Baut der eigene Hund sich nun auf, geht man einfach in die entgegengesetzte Richtung und hält die Hände bewusst tief (ein Ruck nach oben pusht sehr viel eher, als dass er hilft). In dem Moment, bevor die Hundeleine auf Spannung gerät, gibt es zudem ein deutliches Abbruchkommando. Der Hund wird so dazu gezwungen seine Handlung abzubrechen. Läuft der Hund wieder auf der eigenen Höhe und schaut vielleicht sogar verwirrt an einem hoch, gibt es ein Lob und eventuell auch ein Lecker und man dreht sich wieder um. Dies macht man solange, bis man an dem anderen Hund vorbei ist, ohne dass der eigene Hund ausgerastet ist. Je nach Hund kann das eine ziemlich lange Prozedur sein und seltsame Blicke von seinen Mitmenschen sind einem ebenfalls garantiert, aber es kann durchaus helfen.
Bewegung einschränken
Anstatt die Leine hier einzusetzen, kann man hier auch prima mit Bewegungseinschränkungen arbeiten. Fixiert der eigene Hund, geht man deutlich „ durch ihn durch“. Dabei sollte man nicht zu zimperlich sein. Sicher soll der Hund dabei nicht getreten werden, aber einen Schubser muss man dabei durchaus in Kauf nehmen. Unsere Hunde sind robuster als man denkt und wer Hunde im Spiel schon mal beobachtet hat, merkt deutlich dass diese nicht aus Porzellan sind. Diese Einschränkung nehmen die meisten Hunde auch sehr gut an. Auch hier darf man das Abbruchkommando und das Loben nicht vergessen.
Einschränkend lässt sich hier allerdings sagen, dass nicht jeder Hund in Bewegung besser mit solchen Situationen klar kommt. Es gibt durchaus Hunde die durch die zusätzliche Bewegung und die vielen Richtungsänderungen noch konfuser und aufgedrehter werden. Solche Hunde lässt man dann besser absitzen oder sich hinlegen.
Besonders gut eignen sich bei diesen Hunden Massage-Techniken und TTouches® um dem Hund zu mehr Entspannung zu verhelfen-praktisch ist hierbei, dass man auf sämtliche sonstigen Hilfsmittel verzichten kann.
Kommando Schau mich an
Außerdem kann man einen Befehl konditionieren, der dem Hund sagt dass er einen anschauen soll. So kann man bspw. das Kommando „Schau“ nehmen, was natürlich erst in ablenkungsarmer Umgebung trainiert wird. Dabei hält man sich ein Leckerchen in Augenhöhe des Menschen und sagt „Schau“-sieht der Hund einen an, wird er dann umgehend auch mit dem Lecker belohnt. Dies übt man solange bis der Hund auch in ablenkungsreicherer Umgebung den Befehl zuverlässig ausführt und kann diesen zum Schluss auch bei Hundebegegnungen einsetzen.
Schaut der eigene Hund trotzdem zum anderen Hund, kann man hier ein Abbruchkommando nutzen. Um dies zu verstärken, lassen sich Dinge wie Rappeldosen, Schellen oder Wasserpistolen einsetzen. Wichtig ist hierbei den Hund zu loben und zu belohnen, wenn er sein Verhalten unterbricht! Ohne ein Aufzeigen des richtigen Weges, lässt man den Hund regelrecht „im Regen stehen“. Er weiß was er nicht tun darf, aber weiß nicht was denn nun richtig sein soll. Dies kann zu einem enormen Vertrauensverlust gegenüber den Menschen und sogar zu noch stärkeren Aggressionen führen.
Hundehalter voran
Manchen Hunden hilft es sehr, die Führung ganz deutlich an den Menschen abzutreten, indem man sie hinter sich schickt. Um dies zu machen, bringt man dem Hund zuerst bei auf Kommando hinter einen zu laufen . Hierfür nimmt man einen Befehl wie z.B. „Hinten“ und schickt den Hund körpersprachlich hinter einen. Dafür dreht man seinen Körper schnell zum Hund, beugt sich etwas nach vorne und verscheucht den Hund mit einem Geräusch wie ein „Ksch!“ oder einem normalen Abbruchkommando wie ein „Nein!“. Idealerweise springt der Hund erschrocken zurück oder geht zwei drei Schritte erstaunt rückwärts. In diesem Moment muss man sich sofort (!) wieder umdrehen und weiter laufen. Wichtig ist den Druck sofort raus zu nehmen, wenn der Hund hinter einem ist. Traut man sich so etwas nicht zu, sollte man dringend die Finger von solchen Methoden lassen. Wer seinen Körper gut einsetzen kann und überzeugend rüber kommt, kann mit dem hinter den Menschen schicken viel erreichen. Bei einer Hundebegegnung gibt man dann das Kommando „Hinten!“ und läuft selbstbewusst vorne weg (dazu gehört auch ein gewisses Selbstvertrauen-wer immer wieder zum Hund zurück schaut und ängstlich wird, wird damit keinen Erfolg haben).
Wie man sieht, gibt es zig verschiedene Möglichkeiten der Leinenpöbelei entgegen zu wirken. Die hier angesprochenen sind nur ein Bruchteil dessen was es an Methoden gibt. Wichtig ist bei allem das rauszusuchen, was zu dem eigenen Hund und zu einem selbst am Besten passt. Ein sehr sensibler Hund der Angst-aggressiv ist, wird womöglich noch mehr Angst bekommen vor anderen Hunden, wenn er bei jeder Hundebegegnung eine Ladung Wasser abbekommt. Wenn man sich selbst nicht wohl dabei fühlt den Hund körperlich einzuschränken, wird diese Methode niemals gut klappen. Um solche Dinge zu tun, benötigt man Selbstsicherheit. Fehlt diese, wird die Maßregelung für den Hund unverständlich und das Problem verschlimmert sich unter Umständen sogar.
Richtiges Timing beim Training
Auch das richtige Timing darf nicht vergessen werden. Ein Hund der an anderen Hunden vorbei gefüttert wird, ohne diese zu bemerken, lernt nichts. Der Hund wird um das Problem herum geführt, anstatt es wirklich anzugehen. Ein Hund der gestraft wird in dem Moment wo er artig den Menschen ansieht, lernt genau das Falsche: Kontakt zum Menschen ist nicht erwünscht. Ein Hund der erst ein Abbruchkommando erfährt, wenn er bereits lange fixiert hat und grade anfängt zu bellen, wird dies kaum noch befolgen können (man denke dabei an das Gegenspiel von Großhirnrinde und dem limbischen System).
Wichtig ist zudem die Aggressionen im Gesamtkontext zu betrachten. Kein Hund pöbelt „einfach so“. Es gibt immer Gründe für das Verhalten und aus Hundesicht sind diese logisch. Bloße Symptombehandlung kann zwar helfen, muss aber nicht.
Auch ein Hund, der grade im Junghundealter zu Pöbeln anfängt, hört selten damit auf, wenn er älter wird. Ein Abwarten und tatenloses Zusehen, verschlimmert das Problem eher (auch hier möchte ich noch einmal an den ersten Teil erinnern). Wehret den Anfängen ist eine wichtige Grundregel. Dies fängt bereits im Welpenalter an. Man sollte sich fragen, ob es nötig ist den Hund an der Leine zu jedem Hund hinzulassen und ob grenzenlose Welpenspielstunden, die letzten Endes in erster Linie nur noch aus Mobbing bestehen, wirklich dem Hund das richtige Rüstzeug für das spätere Leben verschaffen.
Hund mit Persönlichkeit
Nicht vergessen sollte man, dass auch der Hund eine Persönlichkeit hat. Nicht jeder Hund mag jeden Anderen. Man sollte niemals Hundekontakte dem Hund aufzwingen. Dazu gehören auch die Leinenkontakte. Die Leine schränkt Hunde in ihrer Kommunikation stark ein, schnell entsteht ein Leinengehedder und der Hund der sich lieber zurück ziehen möchte, kann dies nicht tun. Die einzige Möglichkeit bleibt dann nur noch der Angriff nach vorne. Will der eigene Hund keine Leinenkontakte, sollte man dies ihm auch zugestehen.
Alle Lösungsmöglichkeiten hier beziehen sich nur auf die Leinenpöbelei. Wer einen richtigen Raufer hat, der auch im Freilauf sich auf andere Hunde stürzt, sollte Hundekontakte entweder meiden oder einen Trainer zu Rate ziehen der den Hund wieder in Raufergruppen, geführten Spielgruppen oder bei Hundespaziergängen resozialisiert.
Dies gilt auch für denjenigen der merkt, dass er alleine nicht weiter kommt bei dem Problem, der merkt dass er das Timing immer wieder verpatzt, der sich angesichts der Pöbelei einfach nur überfordert fühlt. Man sollte sich nicht scheuen einen kompetenten Hundetrainer zu Rate zu ziehen. Auch wer mit seinem Hund noch mehr Baustellen hat, wie starkes Leinenzerren, Jagen von Radfahrern und Joggern, Verbellen von anderen Personen usw. und dies nicht in den Griff bekommt, sollte sich professionelle Hilfe holen. Ein guter Hundetrainer kann sich bei Einzelstunden ein gutes Bild von dem Mensch-Hund-Team machen, kann Hilfestellungen geben und aufzeigen wo die Probleme und Ursachen im Umgang liegen.
Aggressionen beim Hund
Last but not least, möchte ich noch etwas ganz besonders Wichtiges ansprechen:
Aggressionen können ein Symptom einer körperlichen Erkrankung sein. Hunde die Schmerzen haben, können diese mit anderen Hunden verknüpfen und reagieren generell natürlich deutlich „unwirscher“. Ein Hund, der Rückenschmerzen hat und dem ein Hund mal auf dem Rücken gesprungen ist, wird sich in Zukunft vor weiteren „Angriffen“ schützen wollen. Zudem gibt es Krankheiten, die den Hund aggressiver machen. Besonders die subklinische Schilddrüsenunterfunktion tritt bei Hunden häufiger auf als man denkt und kann übertriebene Aggressionen zur Folge haben. Auch Allergien können einen Hund aggressiv machen. Man sollte deswegen bei solchen Problemen sich zuerst an einen Tierarzt wenden, der am besten einen Zusatz in der Verhaltenstherapie hat.
Unterstützend zum Training, kann man auch die Fütterung kritisch beleuchten. So gibt es Hunde, die bei Getreide im Futter oder einem hohen Rohprotein-Gehalt stark aufdrehen. Zudem können Homöopathie, Bachblüten und andere alternative Heilverfahren unterstützend wirken. Hierzu befragt man am besten einen Tierheilpraktiker seines Vertrauens. In der Praxis haben sich außerdem DAP-Halsbänder bewährt. Diese wirken aufgrund bestimmter Hormone beruhigend.
Wer Lust hat, kann als Kommentar gerne seine Erfahrungen zu diesem Thema schildern. Ob man nun ein Trainingstagebuch schreiben möchte, moralische Unterstützung sucht, Ratschläge benötigt, Fragen hat oder gar alternative Lösungsmöglichkeiten weiß, ist herzlich dazu eingeladen unsere Community damit zu bereichern.
Autorin: Nina Dany
Literatur zum Thema Leinenpöbler
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Hallöchen
Ich habe ein Problem mit unsere drei jährigen Jack russel Hündin sina. Sie haben wir vor ca. drei Monaten von jemand übernommen, wo sie es wahrscheinlich nicht so gut hatte. War die meiste Zeit draußen angeleint, hat auch keine vernünftige Erziehung. Nunja, wir haben uns halt gleich in sina verliebt und unser alter Jack russel rüde schröder – auch sie war zu dem Zeitpunkt läufig. War auch alles ok, nur seit ein paar Wochen ist sie beim Gassi gehen sehr aggressiv anderen Hunden gegenüber. Es ist so schlimm, dass ich schon getrennt spazieren gehe. Habe schon mit Wasser, Leckerchen, Rapeldose versucht, aber sie lässt sich einfach nicht ablenken. Hundeschulen hab ich auch schon kontaktiert, die finde ich, nehmen zum Teil ganz schön hohe Gebühren. Vielleicht hat hier ja jemand noch einige Ideen.
Mfg Lammers
Lese diesen Artikel ein Jahr nach Ihrem Kommentar – keine Antwort erhalten? Schade – LG C. Jenke
Liebe Leslie,
ich will Ihnen nicht zu nahe treten, meisten liegt das Problem aber oft in der Konsequenz. Wenn Ihre Hündin erst seit ein paar Wochen dieses Problem aufzeigt, Sie innerhalb diesen paar Wochen 3 verschiedene Methoden ausprobiert haben, würde ich Ihnen empfehlen, die Leckerlie-Methode (alle anderen Methoden sind meiner Meinung nach sehr negativ behaftet) konsequent bei jedem Spaziergang für die nächsten 2-3 Monate durchziehen. Verhaltensmuster können oftmals nur mit sehr konsequenten und langen Training verändert werden. Viel Erfolg.
Strafen sind bei aggressiven Hunden nie besonders gut, da die Strafe dann immer wieder mit dem Auslöser verknüpft wird und sich unerwünschte Reaktionen dadurch weiter verschlimmern werden.
Wichtig ist zu Beginn tatsächlich erstmal Situationen zu vermeiden, damit der Hund das Verhalten nicht weiter einübt.
Dann arbeitest du am Erregungsniveau und damit an der Ansprechbarkeit deines Hundes.
Besonders toll ist der Geschirrgriff. Richtig positiv auftrainiert, kannst du damit deinen Hund unterbrechen und zwar NEUTRAL!
Erst dann trainiere einzelne Begegnungssituationen mit Click für Blick.
Bitte: Schmeißt endlich eure uralt Rappeldosen weg und fangt an richtig zu trainieren!