„Schau mal! Ein fünfblättriges Kleeblatt!“, sagt meine Schwester lächelnd und hält es mir auf ihrer offenen Hand entgegen. Ich berühre es mit den Fingerspitzen und spüre eine angenehme Wärme in meinem Bauch aufsteigen. „Es ist perfekt“, flüstere ich. „Ja“, sagt meine Schwester und legt es in meine Hand.
Als ich die Augen öffne, weiß ich, dass nun alles anders ist. Ich spüre die Wange meines Sohnes auf meiner Brust, sehe seine kleinen Händchen, das perfekte Gesicht und atme seinen wunderbaren Babygeruch ganz tief ein.
Die Geburt verlief traumhaft gut. Nach einem ausgiebigen Spaziergang mit den Hunden und einem anschließenden heißen Bad setzten gegen 20 Uhr die ersten Wehen ein. Um 03:24 Uhr am Mittwoch, den 13. November 2013 war er dann da, unser Sohn. Er erhält einen Namen, der einzigartig und für mich schon lange von großer Bedeutung ist. Unser Sohn ist die perfekte Mischung aus meinem Mann und mir. Ich habe ein Dauerlächeln im Gesicht. Noch nie in meinem Leben war ich so glücklich.
Nun liege ich mit ihm in einem Zimmer der Babystation und warte darauf, dass mein Mann wieder kommt. Drei Stunden nach der Geburt hat er sich auf den Weg nach Hause gemacht. Die Hunde mussten raus und er selbst hatte schließlich auch einiges an Schlaf nachzuholen. Drei Tage bleiben mein Kleiner und ich im Krankenhaus. Drei Tage, in denen wir uns kennen lernen können und in denen mir einiges von den Schwestern der Station gezeigt und erklärt wird.
Nach allem was ich tue, wasche und desinfiziere ich meine Hände. Unser Sohn soll mit keinem Keim in Verbindung kommen, da legen die Schwestern großen Wert drauf. Obwohl ich hier gut umsorgt werde und ich, wann immer ich Hilfe benötige, diese auch bekomme, will ich nichts sehnlicher als mit ihm zusammen nach Hause. Ich will das wahre Leben wieder haben, will den Alltag mit unserem Baby erleben. Ich möchte, dass Bella und Carly ihn kennen und hoffentlich auch lieben lernen.
Schließlich ist es soweit. Schon früh morgens beginne ich alles zusammen zu räumen und mittags sitzen unser Sonnenschein und ich fertig angezogen auf gepackten Koffern. Auf dem Weg nach Hause sehe ich unentwegt aus dem Autofenster und betrachte die Gegend, als hätte ich sie noch nie gesehen. Vor drei Tagen fuhren wir dieselbe Strecke in die andere Richtung. Drei Tage. Nicht lange her. Und trotzdem ist jetzt alles von Grund auf anders.
Unser Sohn hat das erste Mal eine Jacke an, hat das erste Mal die Sonne gespürt, sitzt das erste Mal im Auto. Und in wenigen Augenblicken wird er das erste Mal gleich zwei große Hunde sehen. Mein Herz setzt zwei Takte aus. Zuhause angekommen teilen mein Mann und ich uns auf. Er verzieht sich mit unserem Baby ins Kinderzimmer und ich gehe ins Wohnzimmer, um die Hunde zu begrüßen. Meine Güte, sind die riesig!
Ich hatte unser beiden Schweizer Sennenhunde nicht so groß und schwer in Erinnerung. Die beiden überschlagen sich fast vor Freude. Nach der Begrüßung fangen sie an, an mir zu schnuppern. Alles wird ausgiebig eingesogen. Die desinfizierten Hände, der vollgespuckte Pulli und über allem liegt dieser angenehme Babygeruch. Als sich die erste Aufregung gelegt hat, tauschen mein Mann und ich. Ich bleibe mit unserem Sohn im Kinderzimmer, er begrüßt die Hunde. Alles so, wie es in jedem Ratgeber geschrieben steht. Dann kommt der Moment der Wahrheit.
Der erste Kontakt zwischen meinem Baby und den Sennenhunden
Mein Herz rast, als wir die Babytrage samt Baby ins Wohnzimmer bringen und sicherheitshalber in den Laufstall stellen. Bella und Carly schieben ihre Köpfe so weit es geht, über die Gitter und röcheln, während sie versuchen so viel wie möglich von dem kleinen Neuankömmling einzusaugen. Carly versucht als erste näher heran zu kommen und springt mit den Vorderpfoten auf die Holzgitter. Ich handele ohne nachzudenken und schubse sie runter. Von der plötzlichen Bewegung und meinem lauten „Nein!“ aufgeweckt, streckt der Kleine sich und seufzt leise. Die Hunde flippen aus. Sie fangen an zu jaulen und springen wild um den Laufstall herum. Wir schieben sie in ihre Körbchen, halten sie dort fest und ich atme tief ein und aus, um mich selbst zu beruhigen.
Dann fällt mein Blick auf den Boden. Die hellen Fliesen sind bedeckt mit Büscheln von Hundehaaren und zwischendrin: Blutflecken! Sie sind überall. Selbst an der Wand entdecke ich ein paar. „Oh. Mein. Gott.“, ist alles, was ich sagen kann. „Sie sind beide gleichzeitig heiß geworden“, erklärt mein Mann. Mein Blick wandert abwechselnd vom blutigen, beharrten Boden zu dem schlafenden Baby im Laufstall und wieder zurück. Ich stöhne.
Wieso kommen mir meine desinfizierten Hände jetzt bloß so lächerlich vor?