Wer braucht schon Besuch?

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Ben, Foto: (c) Diego

Schon lange bekommen wir keinen Besuch mehr. Die meisten meiden uns, trauen sich nicht mehr zu uns. Sogar die Familie lehnt vehement unsere Einladungen ab. Wir sind ganz schön einsam geworden. Dabei haben wir keine ansteckenden Krankheiten, sind ordentlich und sauber. Wir haben nur einen Hund. Und hier liegt das Problem. Nein nein Ben, so heißt er, hat auch keine Krankheiten, ist auch ordentlich und sauber, außer er hat sich mal wieder in Kacke geschmissen. Das ist nicht unser Problem. Ben ist ein Grobmotoriker, ein Trampel, eben ein Labrador.

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Wir wurden ja gewarnt. Als er ein Welpe war, war das aber auch eine süße Knutschkugel. Bei seinem süßen Hundeblick konnte man ihm nicht lange böse sein. Wir schon gar nicht. Naja, da haben wir bei ihm einiges durchgehen lassen. Aber, wir wurden ja gewarnt.

Es gibt bei ihm, äh uns, viele Baustellen, an denen wir noch arbeiten müssen, aber nichts ist so schlimm, wenn wir Besuch bekommen. Oder sollte ich besser sagen, wenn wir Besuch bekamen? Vor allen Dingen wenn sich mal wieder meine Schwiegereltern angekündigt haben. An diesen Tagen versagt regelmäßig mein Deo und mein Mann überlegt, ob er sich nicht doch von mir scheiden lassen sollte. Es ist der reinste Horror.

Der Postbote hat sich mittlerweile daran gewöhnt, dass er ab und an bei der Paketübergabe unvermittelt die Tür vor der Nase zugeschlagen bekommt. Ich glaube er ist auch ein Hundehalter, oder er hat einfach nur Mitleid mit mir. Vielleicht ist es aber auch Schadenfreude, wenn er sieht, wie ich verzweifelt Ben davon abhalte, ihn mitsamt dem Paket die Treppe runter zu werfen.

Den Tipp mit der Hausleine haben wir schon durch. Ich sagte doch schon, Ben ist ein Trampel, eine Dampfwalze. Mein Mann war stinksauer über die Sauerei, als Ben den Heizkörper aus der Wand riss und das riesen Loch, wo der Haken in der Wand war. Dieses durfte ich auch eigenhändig zuspachteln. Also, keine Hausleine!

Auch das Thema Impulskontrolle habe ich schon durch. Eine meiner Freundinnen war so nett mir zu helfen, danach hat sie mir die Freundschaft gekündigt. Ich glaube es lag daran, dass sich die Nachbarn über sie lustig gemacht haben. Naja, man sieht halt nicht jeden Tag jemanden mit voller Football-Montur vor meiner Tür stehen, der dann auch noch ab und an von einem bekloppten Hund über den Haufen gerannt wird. Hatte irgendwie was von Catchen. Ben kann Sitz und auch Platz. Das klappt wunderbar, bis es klingelt. Ab dann steht er unter Spannung – ich auch. Ein energisches „Bleib“ kommt von mir und ich gehe dann zur Haustür. Soweit alles noch gut. Er sitzt auf halb acht – ich auch, also stehe. Dann kommt die heikle Phase des Türöffnens. Während ich die Tür öffne, brülle ich gleichzeitig noch ein „BLEIB“. Dann geht alles ganz schnell. Wenn ICH schnell bin, bekomme ich die Tür noch zu, bevor Ben durchschießt, wenn nicht, hat derjenige dahinter ein Problem. Ben liebt nun mal alle Menschen, nur alle Menschen lieben Ben halt nicht.

Aber ich war ja bei meinen Schwiegereltern. Diese kommen absolut nicht mehr zu Besuch. Wahrscheinlich hat der letzte Vorfall ihnen wirklich gereicht. Ich war einfach nicht wirklich darauf vorbereitet. Mein Mann hat zu schnell die Tür aufgemacht. Dabei hatte ich Ben doch noch gar nicht ins Sitz geschickt. Was blieb mir da anderes übrig, als mich auf den Kerl zu werfen? Hätte doch jeder so gemacht. Ok, das Ben, trotz meiner Last weiter auf die Tür zugaloppierte, damit hätte ich nun wirklich nicht gerechnet. Kurz vor der Tür hat er mich dann verloren und mein Mann, anstatt Ben aufzuhalten, zückte lieber sein Handy und filmte. Ich finde das gar nicht lustig, dass er extra bei Youtube einen Channel eingerichtet hat, damit jeder diese Videos sehen kann. Er sollte mir doch lieber bei der Erziehung helfen. Schließlich wollte er genauso den Hund haben, wie ich.

Aber wo war ich stehen geblieben? Nun ja, Ben stürmte also an meinem filmenden Mann vorbei und nahm dieses Tempo mit in seinem Sprung. Wie gut, dass die Büsche, in denen meine Schwiegermutter landete, keine Dornen haben. Und bei dem Sturz hat sie sich noch nicht mal was getan. Dafür ließ mein Schwiegervater das teure Service – was anscheinend als Geschenk gedacht war – fallen, um seine Frau zu retten. Leider fiel er dabei die Treppe herunter. Aber auch er hatte sich nichts gebrochen. Gut, die Laune war im Keller, das Service kaputt, der Mantel meiner Schwiegermutter dreckig. Ich war den Tränen nahe. Mein Mann hatte zwar wieder ein tolles Video zum Einstellen, war aber genauso sauer. Warum hat der Kerl mir aber auch nicht geholfen und Ben aufgehalten? Sind ja schließlich seine Eltern. Und überhaupt, wer braucht denn schon so ein blödes Service? Wer braucht eigentlich überhaupt Besuch im Zeitalter von Facebook und Co? Und warum wurden wir nicht vorgewarnt? Wurden wir? Hm gut. Also muss ich wohl weiter hart an diesem Problem arbeiten. Bis dahin wird halt der Postbote weiterhin unser einziger regelmäßiger Besucher bleiben…..

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